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EU-Blockade

Christoph Hasselbach18. Dezember 2008

Der Reformvertrag von Lissabon soll die EU funktions- und handlungsfähiger machen. Das Vertragswerk kann aber nur in Kraft treten, wenn es von allen EU-Staaten ratifiziert wird. Und einige Länder blockieren noch immer.

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Irisches Graffiti "No to Lisbon". Quelle: ap
"Nein zu Lissabon" - Irland legte dem Reformvertrag Steine in den WegBild: AP

Es war ein Schock für die EU, als die Iren im Juni 2008 in einer Volksabstimmung den Lissabon-Vertrag ablehnten. Und Irlands Ministerpräsident Brian Cowen war wenige Tage später in Brüssel noch die Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. "Irland braucht jetzt Zeit, um das Ergebnis zu analysieren und Optionen zu suchen", sagte er.

Dabei war der Lissabon-Vertrag bereits der zweite Anlauf. Franzosen und Niederländer hatten den vorangehenden Verfassungsvertrag abgelehnt. Danach hatte sich vor allem Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel während der deutschen Präsidentschaft um eine Neuauflage unter neuem Namen bemüht. Doch überall das Volk abstimmen zu lassen, das wollten die führenden Politiker nicht. Den damaligen dänischen Europa-Abgeordneten Jens Peter Bonde ärgerte das: "Ich bin gegen diesen Putsch, den Frau Merkel an der Spitze organisiert hat", sagte er. "Was Merkel mit dem Lissabon-Vertrag gemacht hat, ist furchtbar."

Fatale Folgen?

Politiker in Lissabon. Quelle: dpa
Vor einem Jahr waren sie noch so stolz auf ihr Werk: Merkel und ihre Kollegen in LissabonBild: picture-alliance/ dpa

Bonde und andere Kritiker fühlten sich nach dem irischen Referendum bestätigt. Seitdem ist der Lissabon-Vertrag blockiert. Jo Leinen, der Vorsitzende des Verfassungsausschusses im Europa-Parlament, warnt seitdem vor den möglichen Folgen: "Es kann sein, dass wir den Rahmen der EU verlassen und Länder auf intergouvernamentaler Ebene Politik betreiben", sagt er. "Dann gäbe es ein Direktorium einiger großer Länder, die gar nicht mehr warten, dass alle 27 mitmachen, sondern einfach vorangehen - vor allem in dem großen Feld der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik."

Aufnahme-Stopp?

Schon heute klagen kleinere Länder mitunter über besondere Dreier- oder Vierergipfel der Großen. Aber nach Meinung von Jo Leinen würde es ohne den Lissabon-Vertrag auf absehbare Zeit auch keine neuen EU-Mitglieder geben: "Eine Blockade des Reformvertrages blockiert weitere Aufnahmen in die EU", sagt er. "Kroatien wäre das erste Opfer, aber auch die anderen Staaten des westlichen Balkans und die Türkei." Leinen ist überzeugt, der Frust sei mittlerweise so groß, dass eine Aufnahme neuer Mitglieder ohne eine Reform der EU nicht mehr denkbar scheine.

Hindernis Tschechien

Der tschechische Präsident Vaclav Klaus. Quelle: ap
Der tschechische Präsident Vaclav Klaus ist ein Gegner der EUBild: AP

Unmittelbares Hindernis für einen weiteren Fortgang ist Tschechien, ausgerechnet die kommende EU-Ratspräsidentschaft. Nachdem das tschechische Verfassungsgericht dem Lissabon-Vertrag im November grünes Licht gegeben hat, steht die Ratifizierung noch aus, die Ministerpräsident Mirek Topolánek zugesagt hat.

Daran erinnerte Hans-Gert Pöttering, der Präsident des Europaparlaments: "Es gilt im persönlichen menschlichen Leben wie auch in der Politik, dass man Wort halten muss", sagt er kürzlich bei einem Besuch in Prag. "Ich kann nicht in Wochen beschreiben, wann die Ratifizierung hoffentlich erfolgt, aber wenn man Wort halten will, dann mache man es schnell."

Selbst nach einer Ratifizierung könnte sich noch der tschechische Präsident Vaclav Klaus querstellen. Er ist ein erklärter Gegner des Vertrages.

Irlands neue Chance

Iren stimmen ab. Quelle: ap
Ein "No" gab es bei der ersten Abstimmung in Irland. Was wird das nächste Referendum bringen?Bild: AP

Da kam es wie eine Erlösung, als die irische Regierung beim EU-Gipfel Mitte Dezember ein zweites Referendum im kommenden Jahr zusagte, allerdings gegen erhebliche Zugeständnisse der übrigen Regierungen. Der aktuelle Ratsvorsitzende und französische Präsident Nicolas Sarkozy zeigte sich dennoch zutiefst erleichtert: "Das ist eine große Befriedigung, weil wir uns um den Lissabon-Vertrag so bemüht haben", sagte er. "Der Vertrag ist ein bisschen unser Baby. Und ich zweifle nicht, dass mit dieser Antwort - und der Krise - ganz Irland verstehen wird, dass man Irland in Europa braucht, und Irland weiß auch sehr wohl, dass es die anderen braucht."

Auf die angesprochene Wirtschaftskrise setzen tatsächlich jetzt viele ihre Hoffnung. Mehr als alle politischen Zugeständnisse und Argumente könnten sich die Erfahrungen der Krise als Geburtshelfer für den Lissabon-Vertrag erweisen.