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Unter der Brücke

Bernd Riegert22. Mai 2002

Bush zu Besuch in Deutschland: Das deutsch-amerikanische Verhältnis ist solide, Berlin gilt als dauerhaft verlässlicher Partner. Aber es gibt Zeichen von Wahrnehmungsschwierigkeiten.

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Demonstration gegen US-Präsident George W. BushBild: AP

Offiziell ist natürlich alles in bester Ordnung. Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte, Präsident George W. Bush sei ein guter Freund Deutschlands und herzlich willkommen. "Wir haben gemeinsame Interessen", so Schröder. Gelegentliche Meinungsverschiedenheiten würden hinter den gemeinsamen Werten zurückstehen.

Differenzen laden sich emotional auf

Auch Bundesaußenminister Joschka Fischer lobte die transatlantische Freundschaft als Basis für Sicherheit im 21. Jahrhundert. Fischer gestand aber zu, dass die Wahrnehmungen der Amerikaner und der Europäer seit den Terrorangriffen des 11. Septembers auseinanderdrifteten. Die USA befinden sich im Krieg, während sich die Europäer hauptsächlich vor amerikanischen Alleingängen fürchten.

Fischer sagte nach seiner letzten Reise nach Washington vor gut zwei Wochen: "Die schlechte Nachricht ist die, dass in der Tat vor allem an der Wahrnehmung der Ereignisse im Nahen Osten es eine zunehmende Wahrnehmungsdifferenz gibt, die sich emotional auflädt."

Euro-Bashing ist angesagt

In den USA warnen konservative Medien und Politiker vor antisemitischen Strömungen und einem Rechtsruck in Europa. Euro-Bashing, also das verbale Einprügeln auf die Europäer, ist in. In Deutschland macht sich eine neue Art von Anti-Amerikanismus breit, weil die USA im Kampf gegen den Terror vermeintlich Maß und Ziel verlieren.

Die von Bundesaußenminister Fischer erkannte Wahrnehmungsdifferenz sieht auch Professor Christian Hacke von der Universität Bonn. In den USA werde jede Außenpolitik daran gemessen, ob sie der Terrorbekämpfung dient. Präsident Bush habe eine extreme Abneigung gegen Bündnisse, die die USA in ihrer Entscheidungsfreiheit einengen. Das treffe sowohl für die NATO, das Kyoto-Protokoll als auch den internationalen Gerichtshof zu. Das militärische Gewicht Deutschlands und der Europäer sei in den Augen der Bush-Administration viel zu klein, so der Politologe Hacke: "Die Amerikaner handeln allein, weil sie keinen europäischen Partner haben, der ihnen helfen könnte."

Europa als Bettler?

Bundesaußenminister Fischer möchte vermeiden, dass die USA und Russland in der Koalition eine neue Brücke schlagen, eine Brücke, die über Europa hinwegführt, unter der die Europäer dann als politische Bettler sitzen würden. Um mit den USA auf gleicher Augenhöhe mitentscheiden zu können, müsse vor allem die europäische Integration vorangetrieben werden, so Fischer: "Wir dürfen uns nicht über die Stärke der USA beschweren. Das ist nicht die Frage, sondern die Frage ist die Schwäche Europas."

Stirnrunzeln über europäische Kritik

Kritisch hat sich Fischer zu den angeblichen Plänen der US-Regierung geäußert, den Irak angreifen zu wollen, um das Regime Saddam Husseins zu beseitigen. Das wurde in Washington aufmerksam und mit Stirnrunzeln registriert. US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice machte noch einmal deutlich, dass sie uneingeschränkte Solidarität Deutschlands auch im Kampf gegen den Irak erwartet, nicht militärische Solidarität, aber doch ein Unterbinden von Waffenexporten und Sanktionsverstößen.

Taube Ohren in Washington

Harald Müller vom hessischen Institut für Friedens- und Konfliktforschung glaubt, dass deutscher oder europäischer Rat in Sachen Irak in Washington auf taube Ohren stößt: "Die Europäer sind vor allem in der Irakfrage außerordentlich gespalten gewesen. Die Briten immer an der Seite der USA. Die Franzosen an der Seite des Irak und der Rest dazwischen und nicht zu hören. Das muss sich ändern, wenn man in Washington Einfluss ausüben will."

Zweifel über die richtige Zensur

Während das offizielle Berlin die Freundschaft mit dem großen Verbündeten beschwört, ändert sich das Meinungsbild der Öffentlichkeit. Eine wachsende Zahl der Deutschen glaubt laut einer Umfrage des deutschen Nachrichtenmagazins "Der Spiegel", die USA handelten hauptsächlich eigennützig und nationalbewusst.

In einer amerikanischen Meinungsumfrage sieht das Bild freilich ganz anders aus. Die "International Herald Tribune" schrieb im April unter Berufung auf eine Umfrage des Pew Research Centers in Deutschland, die Noten der deutschen Öffentlichkeit für Präsident Bush seien seit dem 11. September gestiegen, und zwar von mangelhaft auf ausreichend. Auch hier also eine Wahrnehmungsdifferenz diesseits und jenseits des Atlantiks.