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Deutsche Stadion-Dächer für die WM

31. Mai 2010

Wenn am 11. Juni in Johannesburg die FIFA-WM beginnt, sind Spieler und Zuschauer von einem Stück Deutschland umgeben. Aus der kleinen Stadt Krefeld kommt das Kunststoff-Dach für das Johannesburger Stadion.

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Fußballstadion "Soccer City" in Johannesburg
Das Dach kommt aus Krefeld: Fußballstadion "Soccer City" in JohannesburgBild: DW

Wie Pizzateig ist das engmaschige Netz in der Produktionshalle ausgebreitet. Gewebt aus Glasgarn, fünf Meter breit. Eine Düse verteilt von oben eine helle, flüssige Paste auf dem silbrig glänzenden Gewebe. Diese Beschichtungsanlage macht einen Lärm wie ein überdimensionierter Staubsauger.

Die Beschichtungsmaschine trägt die Paste auf das Gewebe auf
Die Beschichtungsmaschine trägt Paste auf das Gewebe aufBild: Marcus Bredt

Innen Glasgarn, außen eine glatte Schicht. Jeden Tag entsteht hier in Krefeld bei der Firma Verseidag das Material, aus dem die Stadiondächer in Kapstadt und Johannesburg gemacht sind. Wenn es fertig ist, ähnelt das Dachmaterial riesigen Stoffplanen. Es ist aber viel steifer und hält einiges aus: Regen, Sonne, schwere Gewichte.

Weltmarktführer mit wenig Konkurrenz

Die Verseidag, der Name steht für Vereinigte Seidenwebereien AG, ist ein mittelgroßes Unternehmen mit rund 200 Mitarbeitern. Die Firma ist seit 40 Jahren mit den Dachmembranen im Geschäft -inzwischen nach eigenen Angaben als Weltmarktführer. Nur zwei andere Unternehmen konkurrieren um Aufträge.

Als erstes großes Projekt lieferte Verseidag 1972 ihr Dachmaterial für das Olympiastadion in München. Der höchste Wolkenkratzer der Welt, der Burj Khalifa in Dubai, hat ein Dach von der Krefelder Firma. Und schon zur Weltmeisterschaft 2002 lieferte Verseidag Dächer für einige Fußball-Stadien in Japan und Südkorea. Trotzdem war der Auftrag für das Stadion in Johannesburg keine Routine.

60.000 Quadratmeter für ein Stadiondach

Green Point Stadion in Kapstadt
Das Stadion in Kapstadt ist komplett mit der lichtdurchlässigen Membran aus Krefeld umhülltBild: Marcus Bredt

Für Markus Simon, Geschäftsführer von Verseidag, zählt bei seinen Aufträgen vor allem die Fläche. Rund 60.000 Quadratmeter liefert sein Unternehmen für so ein Stadion, das sind mehr als acht Fußballfelder. "Südafrika war für uns ein Leuchtturmprojekt. In den Stadien dort haben wir speziell ein neues Material eingesetzt." Die wasserdichte Schicht muss in Südafrika auch besonders starke Sonnenstrahlen aushalten.

In der Krefelder Produktionshalle tropft unterdessen das künftige Dach – es ist noch nass von der Paste. Automatisch streicht ein Messer die überschüssige Flüssigkeit ab. Dann trocknet das Material in einem großen Ofen. Welche Stoffe diese Paste, mit der das Gewebe beschichtet ist, genau enthält? Das bleibt Firmengeheimnis.

Deutsche Unternehmen profitierten von der WM

Nicht nur Hersteller von Stadiendächern wie Verseidag profitieren vom Fußball-Großereignis. Die Weltmeisterschaft hat den Handel zwischen Deutschland und Südafrika stark angetrieben. Heiko Schwiderowski von der Deutschen Industrie- und Handelskammer spricht von einem "Big Deal" aus Sicht der deutschen Wirtschaft: "Deutsche Unternehmen haben eine Menge Projekte an Land gezogen, wir schätzen ungefähr in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Damit hat die WM in Deutschland rund 15.000 Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert."

Große Unternehmen wie Siemens oder MAN profitieren vor allem davon, dass Südafrika für die WM seine Straßen, Schienennetze und Energieversorgung erneuert. Aber auch mittelständische Unternehmen haben große Aufträge bekommen. Südafrikas Regierung investiert insgesamt 23 Milliarden Euro für die WM.

Absprache über tausende Kilometer

Rolle mit fertig produzierter Membran
Das Dachmaterial hält Regen, Sonne und Wind ausBild: Marcus Bredt

In der Krefelder Produktion bekommt das künftige Dach noch eine Lackschicht, dann ist das lichtdurchlässige Material fertig. Der Lack ist praktisch, weil das Dach damit nicht einmal geputzt werden muss: Der Regen wäscht es sauber. Die Aufträge aus Südafrika waren auch für Verseidag-Architektin Katja Bernert eine besondere Herausforderung. Für das Johannesburger Stadion, die Soccer City mit Platz für 94.000 Zuschauer, arbeitete sie mit südafrikanischen Architekten zusammen.

"Wir mussten mit dem Architekturbüro klären, wie genau dieser Sand-Ton aussehen soll, den die Soccer City bekommen sollte", so Katja Bernert. Zwischen den Geschäftspartnern lagen knapp 9000 Kilometer. "Da kann man sich nicht einfach PDF-Dateien per Mail hin- und herschicken. Das muss am Material getestet werden." Also kam der südafrikanische Architekt nach Krefeld. In dem weißgekachelten Labor einigte man sich auf den exakten Farbton.

"Nach der WM ist vor der WM"

2008 hat Verseidag das Dach nach Südafrika geliefert, im Herbst 2009 war alles fertig montiert. Die Fans freuen sich auf Fußballspiele in den brandneuen Stadien. Für Verseidag-Geschäftsführer Markus Simon beginnt hingegen ein anderes Spiel: "Für uns ist nach der WM vor der WM." 2014 ist Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien, die ersten Aufträge für die Stadien dort sind schon ausgeschrieben. "Wir haben schon einige Entwürfe fertig", sagt Markus Simon. 12 brasilianische Stadien müssen bis 2014 modernisiert sein – und seine Firma will dazu gerne einige Dächer beisteuern.

Autorin: Brigitta Moll

Redaktion: Sven Töniges