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Guatemala wählt

Martin Hoffmann7. September 2007

Am Sonntag wählen die Guatemalteken einen neuen Präsidenten. Der Ausgang ist ungewiß, die beiden aussichtsreichsten Kandidaten liegen Umfragen zufolge gleichauf. Der Wahlkampf forderte bereits 50 Todesopfer.

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Eine trauernde Mutter steht am Rand eines abgesperrten Tatorts am Rand eines tropischen Waldes.
Eine Mutter trauert um ihre Tochter. Sie hatte für die Partei von Rigoberta Menchú kandidiertBild: AP

Die Rollen sind klar verteilt im guatemaltekischen Wahlkampf: Es kandidieren der Law-and-Order-General Otto Pérez, der moderate Sozialdemokrat Alvaro Colom und die Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú. Die allerdings spielt ebenso wie die anderen elf Kandidaten für den Ausgang der Wahl am Sonntag (9.09.07) keine Rolle. Trotzdem bleibt die Wahl spannend, denn das Duell zwischen Pérez und Colom entwickelt sich zum Ende des Wahlkampfes zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen.

Ungewisser Ausgang

Präsidentschaftskandidat Alvaro Colom nimmt ein Bad in der Menge
Der sozialdemokratische Kandidat Alvaro Colom auf Wahlkampftour in Antigua am 1. SeptemberBild: AP

Sah es bis vor kurzem noch nach einem klaren Sieg für Álvaro Colom aus, ist der Ausgang der Wahl zugunsten seines Mitte-Links-Lagers inzwischen mehr als ungewiss. Colom, der für die Unidad Nacional de Esperanza - die Hoffnungspartei – antritt, lag vor zwei Wochen noch mehr als sieben Prozent vor seinem Widersacher. Mit seinem Programm, das sich vor allem der Entwicklung auf dem Land und der nationalen Versöhnung widmet, erreicht der Unternehmer vor allem die Landbevölkerung. Doch im Endspurt scheint auch der dritte Anlauf Coloms auf das Präsidentenamt nicht vom Erfolg gekrönt zu werden.

Agenda I: Kriminalität und Gewalt

Präsidentschasftskandidat Otto Pérez spricht vor einer Menschenmenge.
Präsidentschaftskandidat Otto Pérez spricht vor Anhängern in Guatemala-Stadt.Bild: AP

Das liegt weniger am kaum vorhandenen Charisma Coloms als an dem Macher-Image seines Widersachers Otto Pérez, dem die Menschen inzwischen eher zutrauen, Guatemalas dringendstes Problem zu lösen: die katastrophale Sicherheitslage. Mit einfachen Parolen und dem Versprechen, die Todesstrafe anzuwenden und mit harter Hand gegen die Kriminalität vorzugehen, kann der graumelierte General immer mehr Menschen überzeugen. Dem Kandidaten der Partido Patriota - der Patriotenpartei - wird eher zugetraut, die Kriminalität in dem mittelamerikanischen Staat in den Griff zu bekommen. Eine schwere Aufgabe allemal: Jedes Jahr werden in Guatemala rund 6000 Menschen ermordet, Jugendbanden terrorisieren die Bürger, Entführungen gehören zum Alltag. Die Grenzgebiete sind kaum mehr unter staatlicher Kontrolle, Drogenkartelle haben sie in quasi rechtsfreie Zonen verwandelt. Man schätzt, dass rund 90 Prozent des kolumbianischen Kokains auf dem Weg in die Vereinigten Staaten durch Guatemala geschleust werden. Da verwundert es nicht, wenn kolportiert wird, dass viele der Kandidaten bei den gleichzeitig stattfindenden Parlaments- und Bürgermeisterwahlen nur antreten, um ihre dunklen Geschäfte abzusichern, statt den Bürgern einen Dienst zu erweisen

Ein guatemaltekischer Wahlhelfer vor Papierstapeln.
Ein guatemaltekischer Wahlhelfer transportiert Wahlunterlagen in Guatemala-Stadt.Bild: AP

Die Gewalt ist inzwischen so weit in das politische Leben des 12-Millionen-Einwohnerstaates vorgedrungen, dass zwölf der 14 Parteien am 5. September eine Erklärung zum zwischenparteilichen Gewaltverzicht unterzeichneten. Diese Absichtserklärung allerdings kann kaum mehr als Fassade sein, schaut man auf die traurige Bilanz des Wahlkampfes: Mehr als 50 Menschen wurden in den vergangenen Monaten wegen ihrer Kandidatur oder der Unterstützung von Kandidaten hingerichtet. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission wertet die Mordserie denn auch als Symptom "einer tiefen Instabilität des Staatsapparates" und sieht "den Rechtsstaat in Guatemala in Gefahr."

Agenda II: Korruption

Guatemaltekische Landarbeiter putzen Karotten auf einem Feld.
Guatemaltekische Landarbeiter bei der Ernte - die Wirtschaft wächst trotz der innenpolitischen Probleme jährlich um fünf Prozent.Bild: AP

Dass offenbar auch höchste politische Würdenträger mit dem Rechtsstaatsgedanken wenig vertraut sind, zeigt sich am Beispiel von Ex-Präsident Portillo, der seine Amtszeit bis 2004 hauptsächlich der persönlichen Bereicherung widmete. Inzwischen ist er wie die Hälfte seines Kabinetts in Ausland geflohen, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Das hat das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Politiker fast auf Null schrumpfen lassen. Der derzeitige Präsident Berger versucht zwar die ausufernde Korruption, das zweite große Problem des Landes, zu bekämpfen, Erfolge sind indes kaum zu erkennen. Zu tief sind Mafia und Politik im größten Staat Mittelamerikas miteinander verstrickt.

Die Nobelpreisträgerin

Die Friedennobelpreisträgerin Rigoberta Menchú
Die Nobelpreisträgerin Rigoberta Menchú, hier während ihres Wahlkampfes, hat nur geringe Chancen.Bild: AP

Kriminellen Absichten unverdächtig, aber mit geringen Chancen auf den Wahlerfolg ist die Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú. Die Maya-Indianerin, die weltweit auf den Massenmord an den Nachkommen der Mayas in den 80er-Jahren hinwies, wird es kaum schaffen, die heterogenen Ansichten der verschiedenen Indianergruppen hinter sich vereinen zu können.

Mit einer endgültigen Entscheidung ist am Sonntag (9.09.07) nicht zu rechnen, da wohl keiner der beider aussichtsreichen Kandidaten mehr die nötigen 50 Prozent auf sich vereinen werden kann. Die zweite Runde der Wahlen ist für den 4. November angesetzt.