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Geigenlehrer Chaim Taub

15. August 2011

Unter Geigern gilt der Israeli Chaim Taub als die Lehrmeister-Koryphäe schlechthin. Aus alle Welt reisen sie nach Tel Aviv, um an seinen Meisterkursen teilzunehmen. Und mit 86 Jahren denkt er noch nicht ans Aufhören.

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Chaim Taub (Foto: Marita Berg)
Meister Chaim TaubBild: Marita Berg

"Da dih, da da da dah - diese Phrase braucht einfach viel mehr Atem", ruft Chaim Taub den Bläsern seiner Meisterklasse im "Künstlerbahnhof Rolandseck" im beschaulichen Rheinstädtchen Remagen zu. Die jungen Musiker machen sich Notizen in ihre Noten und spielen dann das Andante Cantabile aus Beethovens Bläserquintett erneut, unterstützt von den rhythmischen Gesten Chaim Taubs. Schon klingt das Werk ausdrucksvoller, in sich ruhend. Der Meister lehnt sich entspannt zurück und kommentiert mit einem aufmunterndem Lächeln: "Ja - nun beginnt es zu leben und wird stimmig!"

Seit drei Jahren gibt Chaim Taub im Rahmen des Rolandseck-Festivals Meisterkurse für die Mitglieder des West-Eastern Divan Orchestra von Daniel Barenboim. Die sommerlicher Meisterkurse im Bahnhof Rolandseck wie das Festival selbst werden zum Teil von der Deutschen Stiftung Musikleben ermöglicht. Die Tradition der Meisterkurse dort mit dem großen Violin- und Kammermusiklehrer Taub reicht jedoch weit in die Vergangenheit zurück, bis in die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Deutsch-israelische Verständigung

Damals bewahrte der Kunstsammler Johannes Wasmuth den historischen Bahnhof in Rolandseck vor dem Abriss, richtete dort ein Museum ein und gründete die Konzertreihe "Festival Pro". Er holte das Israel Philharmonic Orchestra mit dem damaligen Konzertmeister Chaim Taub an den Rhein und legte mit dem ersten Auftritt eines israelischen Orchesters in Deutschland nach dem II. Weltkrieg einen Grundstein für die kulturelle Beziehung zwischen den beiden Ländern.

Meisterkurs mit Chaim Taub (Foto: Giovanni Aussenhofer)
Die Schüler verehren den erfahrenen LehrmeisterBild: Giovanni Ausserhofer

Auch in späteren Jahrzehnten blieb Chaim Taub dem Bahnhof verbunden: Von 1982 bis 1996 leitete er regelmäßig die Rolandsecker Sommerkurse, in denen erfahrene Orchestermusiker des Israel Philharmonic Orchestra dem überwiegend aus Israel stammenden Nachwuchs Meisterkurse gaben. "Unsere Idee war, jeweils eine Woche lang mit den Studenten Stücke zu erarbeiten, die sie dann in einem Konzert spielen konnten", erzählt er. Für die jungen Israelis war das damals eine einzigartige Chance. Unter diesen Schülern war auch Guy Braunstein, heute ebenfalls ein berühmter Geiger und Konzertmeister der Berliner Philharmoniker.

"Der beste Musiker, den ich kenne"

Schüler und Lehrer: Guy Braunstein und Chaim Taub( Foto: Marita Berg)
Schüler und Lehrer: Guy Braunstein mit Meister TaubBild: Marita Berg

Braunstein hatte schon als 13-jähriger in Tel Aviv Unterricht bei Chaim Taub, und für ihn steht fest: "Der Mann mit dem weißen lockigen Haar ist einfach der beste Musiker, den ich kenne. Alles, was ich heute weiß, habe ich von ihm."

Auch nach den Kindertagen und den Meisterkursen in Rolandseck blieb Chaim Taub für Braunstein der wichtigste Lehrer und Ratgeber – bis heute. Obwohl der 40-jährige Tausende von Konzerten gegeben hat und künstlerischer Leiter des Rolandseck-Festivals ist, fährt er, wann immer er Zeit findet, zu Taub nach Tel Aviv: "Ich würde nach wie vor alles tun, um von ihm Ratschläge zu bekommen", betont Braunstein mit Nachdruck.

Damit steht er nicht allein. Zu Taubs ehemaligen Schülern gehört der Weltklasse-Geiger Gil Shaham, Avri Levitan und Ori Kam haben bei ihm Viola studiert, und Musiker wie die Klarinettisten Sharon Kam oder Chen Halevi sind durch seine Kammermusik-Schule gegangen. Ans Aufhören denkt der 86-jährige noch lange nicht: "Unterrichten", sagt Chaim Taub, "ist für mich ein Jungbrunnen. Mit jungen Musikern zu arbeiten, ihre Fortschritte zu sehen: Das gibt mir jedes Mal neue Energie."

Einfach ein genialer Lehrer

Workshop mit Chaim Taub ( Foto: Marita Berg)
Unterricht im MeisterkursBild: Marita Berg

Trotz seines hohen Alters probt er stundenlang intensiv mit den jungen Leuten und feilt an ihrem musikalischen Ausdruckswillen: "Wenn jemand einen Fehler macht, da kann ich drüber hinweghören - solange sein Spiel eine Botschaft für mich hat", sagt er. "Denn Musik ist eine Sprache, die etwas mitteilen möchte."

Für den jordanischen Geiger Nabih Bulos, Meisterkurs-Teilnehmer und in Tel Aviv Chaim Taubs Privatschüler, ist der Lehrer ein "musikalischer Vater" geworden. "Durch ihn habe ich erst gelernt, hinter die Geheimnisse der Noten zu blicken", sagt er. Der Bratscher Orhan Celibi aus der Türkei kann da nur zustimmen: "Er hat so eine Riesenerfahrung, hat so viele Generationen von Schülern erlebt. Er macht nie viele Worte, aber die wenigen bringen es immer genau auf den Punkt. Er ist einfach ein genialer Lehrer."

Autorin: Marita Berg / sc
Redaktion: Rick Fulker