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Gericht in Tschechien billigt EU-Vertrag

3. November 2009

Wie nicht anders zu erwarten hat das tschechische Verfassungsgericht in Brno die letzte Klage gegen den EU-Reformvertrag von Lissabon abgewiesen. Ein Kommentar von Bernd Riegert.

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Bernd Riegert (Foto: DW)
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Die zweite Klage gegen den Vertrag war von Präsident Vaclav Klaus bei Parteifreunden bestellt worden, um den monatelangen Schaukampf ein wenig zu verlängern. Dabei hatte das Gericht bereits im Frühjahr in einem ähnlichen Verfahren den EU-Vertrag gebilligt. 26 EU-Staaten haben den Vertrag ratifiziert, die Iren haben sogar zweimal abgestimmt. Jetzt muss Vaclav Klaus mit seiner Unterschrift das Ratifizierungsverfahren auch in Tschechien abschließen. Dann können die Verträge über die Grundlage der EU und die Arbeitsweise der EU endlich im Januar in Kraft treten. Der selbst ernannte Europa-Dissident Vaclav Klaus, eingeigelt auf der Prager Burg, hat jetzt keine Ausflüchte mehr, schließlich hatte das Parlament Tschechiens Lissabon schon im Frühjahr zugestimmt.

Erfolgreicher Euroskeptiker

Die Argumente des Präsidenten, Tschechien verliere seine Staatlichkeit, die EU würde zum Superstaat und deutsche Vertriebene würden in Horden Besitzansprüche stellen, sind allesamt nicht stichhaltig. Sie haben mit der Realität des Lissabonner Vertrages nichts zu tun. Vaclav Klaus hat die europäischen Spitzenpolitiker unter Beifall der Euroskeptiker provoziert und bis zur Weißglut getrieben. Er hat seinen Auftritt gehabt, jetzt muss es aber auch einmal gut sein.

Der Präsident hat aus seiner Sicht durchaus Erfolge vorzuweisen. Er hat eine Regierung stürzen lassen. Er hat den Staats- und Regierungschefs der EU am Ende noch eine Ausnahmeklausel für Tschechien abgetrotzt. Der Mann ist nicht nur stur, sondern auch ein gewiefter Taktiker. Vaclav Klaus hatte seine Verdienste als Minister, Regierungschef und Wirtschaftsexperte im vergangenen Jahrzehnt. Immerhin haben die Tschechen ihn zweimal zu ihrem Staatsoberhaupt gewählt. Klaus steht stellvertretend für europakritische Wählerschichten, die es nicht nur in Tschechien, sondern in fast allen EU-Mitgliedsländern gibt. Die EU-Befürworter in Brüssel sollten seine Haltung nicht nur als Schrulle eines alten Mannes abtun, sondern als stetige Erinnerung wahrnehmen, dass nicht alle 500 Millionen EU-Bürger begeistert vom Projekt Europa sind. Trotzdem gilt es, gerade die Skeptiker zu überzeugen.

Ein langer Weg

Wie groß das diffuse Unbehagen gegenüber einer immer größer werdenden Europäischen Union mittlerweile ist und wie schwer das Gebilde zu führen ist, zeigt die Geschichte des Lissabon-Vertrages. Die Idee zu einer grundlegenden Reform der EU wurde bereits im Jahr 2000 geboren, als sich die Staats- und Regierungschefs nur mühsam auf den unzureichenden Vertrag von Nizza einigen konnten. Fünf Jahre wurde dann an einem Vertrag getüftelt, den man kühn Verfassung nannte. Die Verfassung wurde in Frankreich und den Niederlanden abgeschmettert. Aus der abgespeckten Verfassung entstand schließlich ein neues Abkommen, das viele Kompromisse, Sonderregeln und verwässerte Ziele einschloss, um es mehrheitsfähig zu machen. Der Vertrag, der nun entstanden war, war eine Zusammenfassung der bisherigen Verträge, der der EU ein neues Abstimmungsverfahren, mehr Entscheidungen per Mehrheit und einige schwammig definierte neue Ämter beschert.

Der große Wurf ist er nicht und er heißt zufällig Vertrag von Lissabon, weil Portugal zum Zeitpunkt der Unterzeichnung 2007 gerade die EU-Präsidentschaft innehatte. Die Geschichte des Vertrages und seine als unendlich anmutende Ratifizierung zeigen, dass sich die EU auch weiter nur in kleinen Schritten bewegen wird. Aber sie bewegt sich immerhin! Die Funktionsfähigkeit der EU, ihre Stellung in der Welt und ihr einheitliches Handeln in der Wirtschaftskrise oder beim Klimaschutz haben nicht so sehr mit den toten Buchstaben von Verträgen zu tun, sondern vor allem mit dem gelebten politischen Willen der beteiligten Politiker.

Der nächste grundlegende Vertrag ist übrigens spätestens mit der angestrebten Aufnahme der Türkei fällig. Dann werden die Widerstände nicht nur auf einen störrischen Präsidenten auf einer Burg über der Moldau beschränkt bleiben.

Autor: Bernd Riegert
Redaktion: Heidi Engels