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Kriegsheimkehrer der Bundeswehr

28. Mai 2010

Der Kriegseinsatz in Afghanistan hinterlässt bei den Soldaten der Bundeswehr zum Teil traumatische Erfahrungen. Die Zahl von Einsatzkräften in psychischer Behandlung steigt, aber die Bevölkerung reagiert desinteressiert.

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Ärmelemblem eines ISAF-Soldaten der Bundeswehr (Foto: AP)
Bundeswehr in AfghanistanBild: AP

Reinhold Robbe ist zwar nicht mehr Wehrbeauftragter der Bundeswehr, aber das Schicksal der Soldaten treibt ihn immer noch um. Er ist dabei, einen Runden Tisch zur Erhöhung der Akzeptanz der Soldaten in Deutschland zu organisieren. Und er sitzt häufig auf Podien und diskutiert darüber, wie die Deutschen mit ihrem bewaffneten Dienstpersonal umgehen. Ziemlich schlecht, stellt Robbe unzufrieden im Berliner Veranstaltungszentrum Urania fest, und spricht mit schmalen Lippen über Schmähungen und Desinteresse.


"Die Bürger wissen überhaupt nicht, unter welchen Belastungen die Soldaten und ihre Familien stehen", sagt Robbe, "die haben unser Mitgefühl verdient, wenn sie schon den Kopf für uns hinhalten." Schließlich seien die Soldaten ja nicht freiwillig am Hindukusch, vor Somalia oder im Kosovo. "Der Bundestag hat das Mandat erteilt und damit sind die Soldaten letztendlich im Namen der Bürgerinnen und Bürger in den Einsatz geschickt worden."

Stress im Einsatz, Probleme daheim

Rund 4.000 deutsche Soldaten wurden nach Afghanistan geschickt, um dort gegen die Taliban zu kämpfen und beim Wiederaufbau zu helfen. Insgesamt leisten rund 10 000 Deutsche Dienst in einer der zahlreichen Auslandsmissionen der Bundeswehr. Solche Einsätze sind anstrengend und nicht selten gefährlich. Das belastet - und so kommen viele Soldaten mit psychischen Problemen zurück nach Hause.

Einer von denen, die aus dem Einsatz zurückgekommen sind, sitzt rechts neben Robbe. Sebastian Ohme, 26, ist ein sportlich-schlanker Mann in Jeans: "Ich hatte Schlafstörungen und musste immer aufpassen, links, rechts, nach hinten." Für Außenstehende wirken die Reflexe grotesk, die der Stabsgefreite aus dem Einsatz mitgebracht hat. "Im Supermarkt habe ich einmal meine Mutter in Deckung gedrückt, wegen dem Krach, den eine umfallende Palette gemacht hat."

Vier Jahre war er bei der Bundeswehr - und zwei Mal in Afghanistan. Ein bisschen Abenteuerlust und die Aussicht, Geld zu verdienen, haben bei ihm den Ausschlag gegeben, sich zu verpflichten. "Da soll mir keiner erzählen, dass er das aus Überzeugung macht." Ohme erzählt vom Dienst fern der Heimat, von dem Schock, als sich ein Kamerad aus Liebeskummer umgebracht hat, und von den Problemen, wieder in der Heimat anzukommen: Wie "unter Dauerstrom" habe er gestanden. So lautet auch der Titel seiner Geschichte in dem Heimkehrer-Sammelband "Ich krieg' mich nicht mehr unter Kontrolle." Es hat eine ganze Weile gedauert, bis er das Erlebte verarbeitet hatte. "Das wichtigste dabei war, darüber zu reden, mit der Familie und den Freunden."

Offenheit zum Gespräch hilft

Das passt zu den Beobachtungen, die Oberstabsarzt Peter Zimmermann im Bundeswehrkrankenhaus in Berlin macht. Er leitet dort die Abteilung Psychiatrie, Psychotherapie und Psychotraumatologie. "Der wichtigste Faktor, der darüber entscheidet, ob ein Soldat mit seinen Erlebnissen fertig wird, ist die soziale Unterstützung", sagt Zimmermann und meint die Gesprächsoffenheit in Familie und unter den Kameraden in der Einheit.

Es melden sich immer mehr Soldaten zur Behandlung. 2008 waren es 245 Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS), im Jahr darauf 466, und in diesem Jahr werden es wahrscheinlich über 500 sein. "Das sind noch relativ wenige im Vergleich zu den Armeen anderer Länder", so Zimmermann. Die Ärzte behandeln die gestressten Heimkehrer mit Gesprächstherapien oder, indem sie rasche Augenbewegungen stimulieren – vergleichbar den Reaktionen beim REM-Schlaf, bei dem Menschen Erlebnisse im Traum verarbeiten.

Schwächelnde Heimatfront

Weniger wichtig ist nach Ansicht des Mediziners die politische Diskussion, die über die Einsätze in Deutschland geführt wird. Die hat vielleicht keinen so großen Einfluss auf die Verarbeitung der Erlebnisse aus dem Einsatz, aber sie schmerzt auch.

Reinhold Robbe ist nach der Podiumsdiskussion von der Bühne gestiegen und steht neben der Treppe. Eine Offiziersgattin fängt ihn ab und klagt, wie schlecht es um die "Heimatfront" bestellt sei. 80 Prozent der Bundesbürger lehnen den Afghanistaneinsatz inzwischen ab. Robbe nickt beim Zuhören und verspricht, Aufklärungsarbeit zu leisten.

Ein paar Meter weiter steht Sebastian Ohme und schaut zu, wie sich die Ränge leeren. Bei seiner Rückkehr hat er sich über den kühlen Empfang in der Heimat geärgert. "Ich wollte keinen roten Teppich, aber es hätte mich ja mal jemand fragen können, wie es mir damit geht." Es war ihm heute Abend wichtig, zu erzählen, wie sich ein Heimkehrer fühlt. "Vielleicht werden die Leute ja dazu angeregt, mal darüber nachzudenken, dass in der Soldatenuniform ein Mensch steckt."


Autor: Heiner Kiesel
Redaktion: Hartmut Lüning


Der Sammelband "Ich krieg mich nicht mehr unter Kontrolle" ist im Fackelträger Verlag erschienen. Die Berichte von Kriegsheimkehrern sind von Ute Susanne Werner zusammengestellt worden.

Türschild an einem Therapieraum in der Abteilung für Psychotraumatologie im Bundeswehrkrankenhaus in Hamburg (Foto: picture alliance/dpa)
Psychotraumatologie im BundeswehrkrankenhausBild: picture-alliance / dpa
Der ehemalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe (Foto: AP)
Reinhold RobbeBild: AP