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Kunstort Bürohaus

16. September 2010

Künstler aus Deutschland, Lettland und den Niederlanden haben auf Einladung der Montag Stiftung Bildende Kunst ein leerstehendes Gebäude im Bonner Regierungsviertel bespielt – mit spannenden Rauminstallationen

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Bürogebäude des ehemaligen Auswärtigen Amtes im Bonner Regierungsviertel Foto: Heike Mund
Bürogebäude als KunstortBild: Heike Mund

Ein paar Schritte vom früheren Bundeskanzleramt entfernt, versteckt zwischen der vielbefahrenen Adenauerallee und dem Rheinufer, liegt ein unscheinbarer Zweckbau aus den 1950er Jahren. Früher waren hier Beamte und die Telefonzentrale des Auswärtigen Amtes untergebracht. Jetzt hat ein ambitioniertes Kunstprojekt das alte Gebäude zu neuem Leben erweckt: acht Künstler aus Deutschland, Lettland und den Niederlanden haben in den letzten Wochen ihre Arbeiten in den kleinen Büros aufgebaut oder für diesen speziellen Ort einrichten lassen: Rauminstallationen, Außenskulpturen, Objekte und Videoarbeiten. Aktuelle Kunst, die sich dem Thema "update – die Welt als Modell" widmet.

Modernes Mäzenatentum

Leere Büroräume werden zum temporären Spielort für die Kunst Foto: Heike Mund
Morbider CharmeBild: Heike Mund

Eingeladen zu diesem internationalen Kunstprojekt hat die "Montag Stiftung Bildende Kunst", die in der benachbarten Villa Prieger ihren Sitz hat. Besondere inhaltliche Vorgaben gab es nicht, Material und handwerkliche Unterstützung wurden großzügig bereitgestellt, erzählt Kuratorin Ingrid Raschke-Struwe. "Wir versuchen immer Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Und im Rahmen einer Stiftung ist das besonders gut möglich, so eine gedankliche Plattform zu schaffen. Und dann müssen die Künstler selber auf das Thema zugreifen, es irgendwie anpacken, drehen, wenden, biegen, bis sie einen Zugang für sich gefunden haben, der dann hier vor Ort auch der Richtige ist." Der Düsseldorfer Künstler Clemens Botho Goldberg musste sein Konzept den Gegebenheiten mehrfach anpassen: am Ende entschied er sich für eine Außenskulptur am Kopfende des Gebäuderiegels: ein mittelalterliches Kirchenfragment, gemauert aus handgefertigten, historischen Ziegelsteinen.

Kunst im Miniaturformat

Das Fenster in einem Büroraum spiegelt sich in einer Wasserpfütze - in der Installation des lettischen Künstlers Miks Mitrevics Foto: Heike Mund
PfützenspiegelungBild: Heike Mund

Seine Kollegen haben sich mit ihren Arbeiten im zweiten Stock des alten Bürogebäudes verteilt: der lettische Künstler Miks Mitrevics, der sein Land 2009 auf der Biennale in Venedig vertreten hat, lässt es in seiner Rauminstallation aus der Decke regnen. In den Pfützen bleibt die Spiegelung der Außenwelt zurück. Die Berliner Künstlerin Ina Weber hat eine englische Bushaltstelle in verkleinertem Maßstab für das Bonner Projekt nachgebaut. Eine Plastik, auf deren Bänken die Besucher sofort ins Gespräch kommen. Stefan Eberstadt aus München nutzte das Raum-in-Raum-Prinzip für ein beklemmendes Labyrinth. Nur zögerlich trauen sich die Besucher in die höhlenartigen Gänge. Der Niederländer Edwin Zwakman fotografierte die unaufgeräumten Reste einer chinesischen Möbelmodellsammlung, um sie in seine großformatigen Fotoarbeiten einzubauen.

Spiel mit der Angst

In einem abgedunkelten Raum zieht eine wandfüllende Videoarbeit den Blick der Besucher sofort auf sich: eine riesengroße Küchenschabe krabbelt über das morbide Ambiente einer abgerissenen Küche. Innerhalb von Minuten wechselt die Szenerie: eine schwarze Spinne läuft durch am Boden liegende Tapetenreste, ein hilflos flatternder Schmetterling sucht Schutz in einem holzgetäfelten Raum. Ein Spiel mit unbewußten Ängsten, bei dem die Berliner Künstlerin Susanne Kutter auch das Formale interessiert: "Es geht da auch um räumliche Tiefe. Wenn das Pfauenauge seine Flügel zuklappt, verschwindet er völlig in der Architektur, bleibt wie ein Strich."

Postkartenidylle auf Zeit

Kirchenfragment des Künstlers Clemens Botho Goldberg an der Außenfassade des Bürogebäudes Foto: Heike Mund
KirchenfragmentBild: Heike Mund

Ein "update" für Bonn in Sachen aktueller Kunstströmungen ist die Ausstellung auf jeden Fall. Und eine Bereicherung für das ehemalige Regierungsviertel. Spaziergänger bleiben staunend vor Goldbachs Außenskulptur stehen, irritiert, wie dieses italienisch anmutende Ruinenfragment hierher kommt. Für den Künstler geht sein Konzept damit voll auf: "Ich finde es manchmal interessant, gerade wenn eine Arbeit im Außenbereich ist, wenn Dinge erst auf den zweiten Blick auffallen oder es merkwürdig erscheint. Und jemand sich im Vorbeigehen noch mal kurz umdreht, und denkt: eigentlich stimmt da irgendwas nicht."

Autorin: Heike Mund

Redaktion: Klaus Gehrke