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Urlaub in Bad Meingarten

7. Juli 2009

2008 haben die Deutschen mehr Geld für den Urlaub ausgegeben als für ihre Altersvorsorge, jetzt plant nur jeder Zweite im Sommer das Land zu verlassen. Aber muss man sich Urlaub daheim nicht schönreden?

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Bild: Ulrich Anders

Thomas und Britta sitzen auf ihrem Balkon in Detmold in der Abendsonne und sind überaus entspannt. Obwohl es bei Ihnen finanziell gerade nicht so üppig aussieht. Thomas bezieht seit fünf Monaten Arbeitslosengeld und Britta arbeitet nur halbtags. Urlaub 2009 heißt für sie deshalb, Urlaub zu Hause, in Deutschland. Der erste Kulturschock bei der Ankunft: Deutschland ist schön.

Globale Gleichmacherei

Evangelische Erlöserkirche (Detmold, NRW)
Idylle in Detmold

Dadurch, dass sie nicht reisen mussten, war bis jetzt alles ziemlich stressfrei und beim Blick in die nächste Einkaufsstraße wird Thomas fast besinnlich. Ist Detmold wirklich soviel anders als Barcelona? Eine Zara- Filiale gibt es hier auch, das Großkaufhaus "Corte Inglés" heißt hier Kaufhof und der Obsthändler präsentiert die Kirschen aus Spanien. Die Globalisierung frisst den Reisereiz auf, findet Thomas. Jede Einkaufstraße weltweit sehe doch gleich aus. Britta und Thomas haben entdeckt, dass man Feiern in El Arenal, shoppen in London und Händchenhalten in Paris theoretisch ja auch mal in Speyer haben kann. Wenn man sich darauf einlässt.

In der Nähe liegt das Glück

Der Dom in Speyer wurde 1981 von der Unesco als Kulturdenkmal in die Liste des Welterbes aufgenommen.
Der Dom in Speyer ist WeltkulturerbeBild: dpa

Vier Tage haben die beiden in Rheinland-Pfalz verbracht. Sie haben in Eckkneipen mit Einheimischen gesprochen, sich über ihren Alltag ausgetauscht und stilechte Erinnerungsfotos auf der Stadtrundfahrt geschossen, und das alles für unter 200 Euro. Die Tour durch war für beide eine Reise durch die Terra Incognita – und sie haben schon einiges gesehen. Sie haben Indien bereist und Afrika, sind mit dem Auto quer durch Russland gefahren, aber Speyer schwärmen sie, Speyer war mal was anderes. Und wenn der Balkon in Detmold danach doch zu eng wird, besuchen sie ihren Freund Peter in Köln in seinem Schrebergarten.

Paradies zum selber Bauen

Planschbecken im Schrebergarten, Foto: Ulrich José Anders
Genauso nass wie anderswoBild: Ulrich Anders

Auf 300 Quadratmetern hat Peter sein heimisches Urlaubsparadies geschaffen. Garten, Laube, Grill, Planschbecken für die Kinder. Seine Enkelin chillt auf der Liege, seine Frau bereitet einen Salat vor, Britta pflückt Stachelbeeren und Thomas philosophiert weiter. Klar, vom Status her hätten Britta und er verloren. Einigen Freunden haben sie gar nicht gesagt, dass sie sich keinen Urlaub leisten können. Aber auf der anderen Seite sei 2009 das Jahr, in dem die beiden ihren ersten ökologischen Urlaub machen. Keine Flugabgase, keine Hotelhandtücher die jeden Tag gewaschen werden, keine Abwässer die im Meer verkappt werden.

Individuell statt Masse

Strandbar in Köln, Foto: Ulrich José Anders
Sand gibt es auch in der rheinischen BeachbarBild: Ulrich Anders

Je später der Abend in der Schrebergartensiedlung, umso mehr sind die beiden sich einig: die Krise in der Reiseindustrie habe nicht nur wirtschaftliche Aspekte, es liege an den Angeboten: pauschal hier, Zusatzangebot da, Besuch des Kunsthandwerkermarktes, also unterm Strich, ihrer Meinung nach, immer das Gleiche. Wenn die beiden es sich leisten können, fahren sie im nächsten Jahr aber trotzdem wieder weg. Diesmal aber anders, individuell. Vielleicht wie damals in den 50ern, einfach mal ins Auto und Richtung Süden. Menschen kennen lernen, Kulturen erfahren.

Autor: Uli José Anders
Redaktion: Marlis Schaum