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Urteilsspruch im Heckenschützen-Prozess

Daniel Scheschkewitz, Washington24. November 2003

Die Jury hat im Prozess gegen einen der beiden "Washington-Sniper", die im vergangenen Herbst zehn Morde in den USA begangen haben, die Todesstrafe verhängt.

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Todesstrafe für John Allen MuhammadBild: AP

Insgesamt brauchten die zwölf Geschworenen nur etwas mehr als fünf Stunden, um das Strafmaß festzusetzen. Sie verurteilten John Allen Muhammad zum Tode nicht nur wegen Mordes, sondern – erstmals in der amerikanischen Justizgeschichte – auch für die Terrorisierung der Bevölkerung. John Allen Muhammad und sein damals noch jugendlicher Komplize Lee Malvo hatten im Zeitraum von knapp drei Wochen in Washington und den umliegenden Bundesstaaten Virginia und Maryland im vergangenen Herbst zehn Menschen erschossen.

"Monströse" Taten

Die Rechtsanwälte des Angeklagten, der das Todesurteil ohne erkennbare Regung entgegennahm, hatten erst gar nicht den Versuch gemacht, die Monströsität seiner Verbrechens zu beschönigen. In den fünf Tagen, an denen es darum ging, dass Strafmaß festzusetzen, hatten sie das Leben ihres Mandanten zu retten versucht, indem sie ihn als fürsorglichen und liebevollen Vater zu porträtieren versuchten. Auf Videomontagen wurde der Geschworenenjury der Angeklagte gezeigt, wie er seinen Sohn badet und seine Tochter bei ihren ersten Gehversuchen auffängt.

John Allen Mohammad – so die Argumentation der Verteidigung - sei erst durch seine gescheiterte Ehe und den Rechtsstreit über das Sorgerecht für seine beiden Kinder zum Mörder geworden. Er sei ein gebrochener Mann, der hinter Gitter gehöre, aber nicht in einen Sarg.

Die zwölf Geschworenen im Gericht von Virginia Beach sahen das anders. "Ich kann Ihnen versichern, dass ich seit Prozessbeginn keine Nacht mehr richtig geschlafen habe", sagte John Hegarty, Sprecher der Geschworenenjury, nach dem Urteil. "Aber die Fülle des vorgelegten Beweismaterials ließ uns, glaube ich, keine andere Wahl", so Hegarty weiter.

Indizienprozess reicht für Urteil

Die Geschworenen in Chesapeak hatten den 42-jährigen Angeklagten nach dreiwöchigem Prozess schon am vergangenen Montag (17.11.2003) für schuldig befunden, obwohl nicht bewiesen werden konnte, dass es Muhammad war, der die tödlichen Schüsse abgegeben hatte. Doch eine Reihe von Indizien sprach dafür, dass er die Haupttriebfeder und der maßgebliche Organisator der beispiellosen Mordserie war. Die Rechtsanwälte seines jüngeren Komplizen Lee Malvo, der zur Zeit in einem anderen Prozess ebenfalls in Virginia vor Gericht steht, argumentieren, Muhammad habe Malvo zu den Morden angestiftet.

Giftspritze oder elektrischer Stuhl

Der Prozess gegen John Allen Muhammad war erst der Auftakt zu einer ganzen Serie von möglichen weiteren Prozessen gegen den jetzt Verurteilten. US-Justizminister John Ashcroft hatte im vergangenen Jahr höchstpersönlich dafür gesorgt, dass die beiden "Sniper" im Bundesstaat Virginia angeklagt wurden, weil dort die Wahrscheinlichkeit eines Todesurteils am größten war.

Weitere Prozesse in anderen Bundesstaaten könnten noch folgen. Vorbehaltlich einer Begnadigung, die in diesem Fall für mehr als unwahrscheinlich gehalten wird, hat John Allen Muhammad nun die Wahl: Nach den Gesetzen des Staates Virginia kann er sich entscheiden, ob er lieber durch die Giftspritze oder auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet werden "will".