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US-Amerikaner konsumieren europäisch

17. Oktober 2010

Zwei Jahre nach dem Beginn der großen Wirtschaftskrise sind in den USA rund acht Millionen Arbeitsplätze verloren gegangen. Nun denken die Amerikaner um und werden zumindest beim Konsum ein bisschen zu Europäern.

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Straßenfest mit multikulturellem Essen in New York (Foto: dw)
Shopping in New YorkBild: picture alliance/Photoshot
Das tägliche Treiben am Time Square, Lower Manhattan, New York
Das tägliche Treiben im Herzen von ManhattanBild: picture-alliance/Ton Koene

Es herrscht Hektik in Downtown Manhattan. Passanten drängeln durch die engen Straßen. Aber auf die Frage: "Wie hat Sie die Wirtschaftskrise beeinflusst?" hat trotz Eile fast jeder etwas zu sagen. "Ich wollte mir eigentlich einen großen Flachbildfernseher kaufen", sagt ein Passant – den hat er sich jetzt vorerst abgeschminkt. Eine Frau meint, sie gehe jetzt seltener ins Restaurant zum Essen.

"Ich überlege, bevor ich einkaufe, ob ich die Dinge wirklich brauche", sagt eine jüngere Frau. Das ist ein Gedanke, der vor der Krise nur wenigen Amerikanern gekommen wäre. "Vor der Rezession haben Amerikaner einfach alles gekauft, was sie wollten und wann sie wollten – an Geld zu kommen war kein Problem", meint Brian Newberry, Marktstratege bei der Marketing-Agentur Northlich in Cincinnati.

Neue Zurückhaltung

©PHOTOPQR/LA DEPECHE DU MIDI/XAVIER DE Mann beisst in Hamburger (Foto: FENOYL - VERS UNE TAXE OBESITE SUR LES PRODUITS MALSAINS ILLUSTRATION)
Fastfood boomtBild: picture alliance / maxppp

Die Agentur Northlich hat eine Studie zu den veränderten Bedürfnissen der US-Konsumenten nach der Krise gemacht. Danach ist die Annahme, dass Amerikaner einfach nur weniger shoppen, zu kurz gedacht. Einige "werten auf", gehen beispielsweise edler auswärts essen, dafür aber seltener. Oder sie "werten ab" - gehen genauso oft aus, aber verzichten dann auf die Vorspeise oder den Wein. Oder sie laden Freunde zu sich nach Hause ein. "Denn auf das Erlebnis, gemeinsam mit Freunden zu essen, wollen sie nicht verzichten", meint Newberry.

Die Kaufkriterien und Werte der Amerikaner haben sich laut Newberry verändert. "Ich kaufe nur noch Qualität", sagt ein großgewachsener Mann vor der New Yorker Wall Street. Qualität sei ihm viel wichtiger als Quantität. Es werde auch weniger spontan gekauft, meint Brian Newberry: "Amerikaner wählen heute genauer aus und wollen Produkte, die nachhaltig sind." Teure Waren und Luxus gelten nicht mehr als Zeichen für Wohlstand. "Ein Verhalten, für das bisher eher die Europäer bekannt waren", meint Brian Newberry. "Sie kaufen bescheidenere, kleinere Produkte mit besserer Umweltbilanz – und nur dann, wenn sie sie wirklich brauchen. Und sie hoffen, dass sie lange halten“.

Ein älteres Paar beim Einkauf (Foto: dpa)
Konsumenten werden kritischerBild: picture-alliance / ZB

Einige Unterschiede würden jedoch vorerst bleiben, meint Jennifer James von der Forschungsabteilung Nordamerika der Gesellschaft für Konsumforschung in New York. Europäer denken beim Kauf an ihre soziale Verantwortung und an die Umwelt. "Sie handeln und denken oft altruistisch", meint James. "Sie kaufen Produkte, weil sie es als 'richtig' einstufen, das zu tun". US-Amerikaner würden dagegen ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen. "Erstmal muss es gut für den US-Konsumenten sein, Umweltschutz ist dann – wenn überhaupt - ein positiver Nebeneffekt."

Sparsam wie nie

Vorausschauend und kritisch einkaufende US-Konsumenten – das hört sich vernünftig an, bremst aber den Aufschwung im eigenen Land und weltweit: Zwei Drittel des amerikanischen Wirtschaftswachstums hängen vom inländischen Konsum ab. Und auch Europa und Asien sind auf die Exporte in die USA angewiesen - aber dort wird kräftig gespart.

Die Sparquote sei so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Amerikaner würden auch kaum noch auf Pump kaufen. Kreditkarten seien out, lieber zückten sie ihre Bank-Karte oder zahlten cash. Das liege nicht zuletzt auch an der neuen Regulierung und den veränderten Kreditbedingungen, meint Jennifer James. Kreditraten sind hoch – Kreditkarten nicht mehr für jeden zu haben.

Sparmentalität steckt an

Auch reagieren die Amerikaner besonders stark auf die Krise. In Spanien etwa ist die Arbeitslosigkeit noch höher ist als in den USA. Doch die Spanier hätten ihr Konsumverhalten, in Relation zu den Auswirkungen, mit denen sie zu kämpfen haben, weniger gedrosselt als die US-Amerikaner, sagt Jennifer James. "Die Sparmentalität steckt an." Selbst Amerikaner, die kaum von der Krise betroffen sind und ihren Job noch haben, würden ihren Konsum einschränken. "Weil es für sie scheint, als sollten sie das", so Jennifer James.

Vorsichtig und vorausschauend, mit Hang zu qualitativen und nachhaltigen Produkten - Marketing-Stratege Brian Newberry ist sich sicher, dass dieses Kauf-Verhalten auch langfristig so bleiben wird. Die Krise sei für viele so überraschend gekommen, dass sich die Angst vor einer Wiederholung in den Köpfen verankert habe. "Die jüngere Generation schaut auf ihre Eltern. Und ist geschockt, wie stark diese gelitten haben und wie überraschend das für sie kam", sagt Newberry. "So unvorbereitet wollen die jungen Amerikaner nicht noch einmal sein."

Autorin: Miriam Braun
Redaktion: Klaus Ulrich