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Korruptionssumpf

29. April 2008

Ermittler haben bei Siemens in wichtigen Geschäftsbereichen zahlreiche Verstöße gegen Anti-Korruptionsvorschriften gefunden. Es gebe in nahezu allen untersuchten Bereichen Belege für Fehlverhalten, hieß es.

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Ein Gebäude des Elektonik-Konzerns Siemens (Archiv), Quelle: AP
Bild: picture-alliance/dpa

Die mit den internen Ermittlungen beauftragte US-Kanzlei Debevoise & Plimpton habe in einem Zwischenbericht zahlreiche neue Erkenntnisse über Regelverstöße in den Jahren 1999 bis 2006 vorgelegt, teilte Siemens am Dienstag (29.4.2008) nach einer Aufsichtsratssitzung in München mit. "Die Kanzlei hat in nahezu allen untersuchten Geschäftsbereichen und in zahlreichen Ländern Belege für Fehlverhalten im Hinblick auf in- und ausländische Anti-Korruptionsvorschriften gefunden."

In dem Korruptionsskandal geht es um dubiose Zahlungen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro, die vermutlich größtenteils zur Erlangung von Aufträgen im Ausland eingesetzt wurden. Der Zwischenbericht der US-Kanzlei umfasste den Stand der Ermittlungen in der früheren Telekommunikationssparte Com sowie in fünf weiteren Geschäftsbereichen des Konzerns, darunter die Energieverteilung und die Verkehrs- und die Medizintechnik. Dabei habe auch das Verhalten des früheren Siemens-Managements "bei diesen Geschäftspraktiken" im Fokus gestanden, hieß es. Bei den aufgedeckten Verfehlungen handele es sich nicht nur um direkte Korruptionsvorfälle, sondern "vielfach" auch um "Verletzungen von Vorschriften, die sich auf die internen Kontrollen und die Korrektheit der Dokumentation beziehen".

Noch keine Konsequenzen absehbar

Nach Erkenntnissen der US-Ermittler waren die früheren Vorstandsmitglieder unterschiedlich gut über die Zahlungen informiert und gingen unterschiedlich damit um. "Zwischen korrektem Verhalten, dem Abschieben von Verantwortung, Nicht-Reaktion oder nicht ausreichendem oder schnellem Reagieren bis zu möglicher Mitwirkung an Compliance-widrigen Aktivitäten gebe es ein weites Spektrum und mannigfache Schattierungen", hätten die Ermittler deutlich gemacht. Sie hatten "das Verhalten des Managements bei diesen Geschäftspraktiken" zwischen 1999 und 2006 untersucht.

Der frühere Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer (Archiv), Foto: AP
Was hatte der frühere Vorstandsvorsitzende Heinrich von Pierer mit der Affäre zu tun?Bild: AP

Mögliche Konsequenzen für ehemalige Vorstände habe der Aufsichtsrat noch nicht beschlossen, hieß es. Dies sei noch nicht "entscheidungsreif". Es sei ein Gebot der Rechtstaatlichkeit, Fairness und Fürsorge, vorschnelle Zuordnungen und Schlüsse zu vermeiden, so die Begründung. Das Kontrollgremium beauftragte aber den für die Einhaltung von Anti-Korruptionsregeln zuständigen Ausschuss, Schadensersatzansprüche gegen ehemalige Vorstandsmitglieder zu prüfen.

Auch frühere Vorstände unter der Lupe

Das Ende Februar ausgelaufene Amnestie-Programm des Unternehmens habe zahlreiche Erkenntnisse gebracht, hieß es. In den vergangenen Wochen sei besonders die Arbeit des früheren Vorstands untersucht worden. Dennoch sei der Aufsichtsrat zu der Überzeugung gelangt, dass zu Einzelpersonen aus dem Kreis ehemaliger Vorstandsmitglieder derzeit keine konkreten Schlussfolgerungen möglich seien.

Der Mitteilung zufolge entlasteten die internen Ermittler den Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates. Laut den US-Anwälten seien Informationen an das Gremium "teilweise in wesentlicher Hinsicht unvollständig oder irreführend" gewesen. Bei Fragen der Ausschussmitglieder hätten die Antworten "die Tatsachenlage im Unternehmen unzutreffend widergespiegelt", berichteten die Ermittler demnach.

Allein zwischen Januar und März hat der Konzern im Zuge der Aufarbeitung des Schmiergeld-Skandals 175 Millionen Euro für Anwälte ausgegeben. Damit steige die Gesamtsumme für externe Berater in diesem Bereich sowie für das Abstellen von Schwächen im Kontrollsystem im ersten Halbjahr 2007/08 auf 302 Millionen Euro. (ina)