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US-Senat sperrt sich gegen Atom-Abrüstung

4. Januar 2010

Eigentlich will US-Präsident Obama die nukleare Abrüstung vorantreiben. Doch dafür müssten die USA den UN-Atomwaffentest-Stopp-Vertrag unterschreiben. Und da sperrt sich der US-Senat: Die Chancen stehen schlecht.

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Atompilz (Foto: ap)
In der Wüste Nevada führen die USA Atomtests durchBild: picture-alliance/dpa

"Wir müssen die Verbreitung von Nuklearwaffen stoppen und nach einer Welt ohne Atomwaffen streben", betonte US-Präsident Barack Obama im September 2009 seine Vision von einer friedlichen Welt vor den Vereinten Nationen in New York - nicht nur mit Worten. Als erster US-Präsident überhaupt leitete er eine Sondersitzung des Sicherheitsrates, in der eine Resolution verabschiedet wurde, die die Verschrottung aller Atomwaffen fordert. Am gleichen Tag fand eine Konferenz zum Atomwaffenteststoppabkommen statt - ebenfalls in New York. US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte dort: "Wir glauben, dass das Atomwaffenteststoppabkommen ein integraler Bestandteil der atomaren Abrüstungspolitik ist."

Warten auf die USA

Obama in Prag, 2009 (Foto: dpa)
US-Präsident Obama wirbt in Prag für die Vision einer atomwaffenfreien Welt (Archiv)Bild: picture-alliance/ dpa

Der Atomwaffenteststoppvertrag - kurz CTBT (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty) wurde 1996 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen angenommen. Er sieht das komplette Verbot von Atomwaffentests vor - auf und unter der Erde, im Wasser und in der Luft. 182 Staaten haben den Vertrag unterzeichnet, 151 haben ihn ratifiziert. Aber das reicht nicht. Damit er in Kraft treten kann, muss die Ratifizierung zumindest in allen jenen Staaten erfolgt sein, die 1996 im Besitz von Atomwaffentechnologie waren. Von diesen fehlen noch neun. Auch die USA gehören dazu.

US-Präsident Barack Obama hatte bereits im Präsidentschaftswahlkampf versprochen, das zu ändern. Deswegen betonte auch Hillary Clinton: "Der Präsident wird in den nächsten Monaten daran arbeiten, um zum einen den Ratschlag und die Zustimmung des US-Senats zu erhalten, um den Vertrag ratifizieren zu können. Und zum anderen um zu erreichen, dass auch andere Staaten den Vertrag ratifizieren, damit er schließlich in Kraft treten kann."

Widerstand im Senat

Capitol Hill in Washington (Foto: ap)
Capitol Hill in WashingtonBild: Illuscope

Denn dass die USA den Atomwaffenteststoppvertrag - kurz CTBT - immer noch nicht ratifiziert haben, liegt am US-Senat. Obwohl vor elf Jahren auch einige Senatoren der oppositionellen Republikaner für den Vertrag stimmten, verfehlte der damalige Präsident Bill Clinton die nötige Zweidrittelmehrheit bei weitem.

Das Argument der Gegner: die USA würden nicht mehr in der Lage sein, die eigenen Waffen in der Praxis auf Tauglichkeit zu testen. Doch auch die Labortests seien mittlerweile ausreichend, sagt Abrüstungsexperte Stephen P. Cohen vom Brookings Institut in Washington: "Wir haben so viele verschiedene Waffen und wir sind ziemlich sicher, dass die meisten funktionieren. Das Schlimmste, was passieren kann ist, dass einige nicht explodieren, wenn sie 50 oder 100 oder 1000 Bomben abwerfen. Aber wenn sie sich die Welt vorstellen, in der solch ein Szenario Wirklichkeit wird, dann ist das wirklich ihr geringstes Problem", so Cohen. "Die Glaubwürdigkeit des Abschreckungspotentials wird dadurch ein bisschen verändert, aber sie ist wohl immer noch ausreichend."

Problemlose Überwachung?

Flaggen Nordkorea, Iran mit Atom-Zeichen (Montage: dw)
Nordkorea und Iran sind die beiden nuklearen 'Sorgenländer'Bild: picture-alliance/ dpa / DW-Montage

Auch ein weiteres Argument der Kritiker ist mittlerweile entkräftet: Die Schwierigkeiten, die Einhaltung des Abkommens zu überwachen. Denn inzwischen sind die technischen Möglichkeiten wesentlich besser geworden. Die Welt weiß, wo seit dem Abschluss des CTBT Atomwaffen getestet wurden: In Indien und Pakistan 1998, in Nordkorea 2006.

So ist die Koalition groß, die sich in den USA für eine Ratifizierung des Vertrags ausspricht. Die ehemaligen Außenminister George Shultz und Henry Kissinger sind darunter, der ehemalige demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry, der den Vorsitz des zuständigen Senatsausschusses übernommen hat, und selbst Verteidigungsminister Robert Gates hat sich vorsichtig positiv geäußert.

Ausstieg jederzeit möglich

Es gibt eigentlich auch keinen Grund, den Atomwaffenteststoppvertrag nicht zu ratifizieren. Denn zur Not gibt es für jedes Land eine Ausstiegsklausel, sagt Michael Krepon, Mitbegründer des Henry L. Stimson Centers in Washington, das sich mit Sicherheitsfragen und Abrüstung beschäftigt: "Wenn in der Zukunft der Präsident oder die Präsidentin der Ansicht ist, dass es für die USA von entscheidendem nationalen Interesse ist, die Tests wieder aufzunehmen, kann er oder sie vom Vertrag zurücktreten. Das gilt für jedes Land."

Problemfall Indien

Atomtest in Indien 1974 (Foto: ap)
Indien machte schon in den 70er Jahren riesige AtomtestsBild: AP

Dennoch ist der CTBT nicht sinnlos: Bereits jetzt sorgt der Vertrag dafür, dass so gut wie keine Atomwaffentests mehr stattfinden. Und sollten die USA ihn ratifizieren, würden andere Staaten folgen. Indonesien hat die Ratifizierung angekündigt, sollten die Vereinigten Staaten vorangehen, auch aus China kommen positive Signale.

Bleiben noch Ägypten, Iran, Israel, Pakistan und Nordkorea sowie Indien.

"Das einzige Land, das offiziell Atomwaffen besitzt und den Vertag nicht unterzeichnen und ratifizieren wird, ist Indien - obwohl der Druck groß sein wird", sagt Abrüstungsexperte Stephen Cohen. "Indien wird stattdessen weiter anbieten, auch ohne die Unterschrift auf Atomwaffentests zu verzichten."

Russland hat die Nase vorn

Russisches Atom-U-Boot (Foto: ap)
Russisches Atom-U-BootBild: picture alliance/dpa

Cohen weist darauf hin, dass die Russen den Vertrag nicht nur unterzeichnet, sondern bereits Mitte 2000 auch ratifiziert haben. Russland hat in diesem Fall also die Nase vorn. Aber es sieht nicht so aus, als würden die USA nachziehen, zumindest nicht 2010. Denn an der Verweigerungshaltung der Republikaner im Senat hat sich seit 1999 nichts geändert. Damals war Präsident Clinton nicht in der Lage, die nötige Überparteilichkeit herzustellen. Barack Obama habe zwar anfangs angekündigt, dem politischen Gegner die Hand reichen zu wollen, so Michael Krepon vom Henry-L.Stimson-Center. Doch die aktuellen Schwierigkeiten bei der Verabschiedung der Gesundheitsreform zeigen: Überparteilichkeit geht es weiterhin nicht, die Republikaner bleiben in Blockadehaltung.

Lage verschärft sich

Und es wird allgemein erwartet, dass die Republikaner bei den Kongresswahlen im November 2010 weitere Sitze im Senat hinzugewinnen. "Zur Ratifizierung des CTBT sind derzeit sieben Stimmen von Republikanern notwendig", erklärt Krepon. "Und nach den Kongresswahlen werden es vermutlich mehr sein. Wenn die Haltung der Republikaner dann immer noch 'ablehnen, ablehnen, ablehnen' ist, dann wird es sehr schwer werden, den Vertrag zu ratifizieren."

Um die Blockadehaltung zu brechen, müsste Barack Obama sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale werfen. Doch das wird sich der Friedensnobelpreisträger genau überlegen. Schließlich ist seine Autorität auch noch auf anderem Gebiet gefragt: Denn nach der Gesundheitsreform soll als nächster parlamentarischer Brocken eigentlich das Klimaschutzgesetz angegangen werden. Und das stößt ebenfalls bei den Republikanern auf heftigen Widerstand.

Autorin: Christina Bergmann

Redaktion: Anna Kuhn-Osius