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Politik

Nur wenige Trump-Fans in Europa

2. November 2016

Stell dir vor, in den USA ist Wahl und Trump gewinnt. Europa schaudert bei dem Gedanken eher. Hillary Clinton hingegen steht für transatlantische Gewohnheiten. Eine Analyse von Bernd Riegert.

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Schottland Trump International Golf Links
Europareise: Trump (li.) landet auf seinem Golfplatz in SchottlandBild: Getty Images/J.-J. Mitchell

Das einzige Gebäude, das in Europa den Namen Trump trägt, steht im geografisch zu Europa gehörenden Teil Istanbuls. In der türkischen Metropole sind die beiden Hochhaustürme allerdings seit 2015 nicht mehr wohlgelitten. Seit der republikanische Präsidentschaftskandidat sich gegen die Einwanderung von Muslimen in die USA stark macht, wollen türkische Politiker erreichen, dass der Name Trump von den Gebäuden gestrichen wird.

In schlechten und in guten Zeiten

Außerdem betreibt die Trump-Gruppe noch mehrere Golfplätze in Europa. Das sind so die ziemlich einzigen Berührungspunkte, die Donald Trump mit Europa bislang hatte. Der Golfplatz bei Aberdeen, den Trump wegen seiner malerischen Lage als von "Gott selbst geschaffen" anpreist, hat bei den Anliegern und der schottischen Regierung viel Ärger und Prozesse ausgelöst. Die angekündigten Summen wurden nie wirklich investiert, die Zahl der Arbeitsplätze blieb hinter den Erwartungen zurück. Das hielt Donald Trump bei einem Besuch in Schottland im Juni nicht davon ab zu behaupten, er habe "Schottland erobert und überzeugt". Genauso werde er es auch als Präsidentschaftskandidat in den USA machen.

Niedersachsens CDU-Vorsitzender David McAllister
McAllister: Wenig relevante Themen im US-WahlkampfBild: picture-alliance/dpa/M. Gambarini

Der deutsche Europaabgeordnete David McAllister, der selbst schottische Wurzeln hat, beurteilt den Republikaner so: "Donald Trump ist für uns in Europa der große Unbekannte. Wir wissen nicht viel über ihn. Wir wissen nicht viel über seine Außenpolitik, weil er darüber nicht viel spricht. Und wenn er da ins Detail geht, klingt das eher beängstigend." McAllister ist Vorsitzender einer Gruppe im Parlament, die sich um die Beziehungen zu den USA kümmert. "Natürlich kennen wir Hillary Clinton in Europa besser. Sie glaubt an starke transatlantische Beziehungen. Mit ihr zusammen können wir sicher eine Menge erreichen." Als ehemalige Außenministerin der USA haben viele aktive Politiker in Europa Hillary Clinton schon erlebt. Man erwartet von ihr Kontinuität.

Bislang waren demokratische und republikanische Präsidenten immer fest auf den Stabilitätsanker NATO eingeschworen. Doch Donald Trump hat auch am atlantischen Bündnis gerüttelt. Das will er nur fortsetzen, wenn Deutschland für seine Sicherheit bezahlt. David McAllister versucht, seine Erwartungen diplomatisch zu formulieren. "Die EU und die USA haben sehr enge und starke Verbindungen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, diese weiter zu stärken, egal wie die Wahlen ausgehen. Wir müssen auf gute und schlechte Zeiten vorbereitet sein."

Trump ist nicht der Papst

Es gibt aber auch Trump-Fans in Brüssel, vor allem im Lager der rechten Populisten. Der britische Abgeordnete Nigel Farage tritt sogar auf Wahlkampf-Veranstaltungen von Donald Trump auf. Farage war siegreicher Vorkämpfer für den Brexit. Er wollte ein unabhängiges Großbritannien. Das Nationale betont er genau so, wie es Donald Trump in den USA macht. Britain first und America first. Dass Donald Trump weibliche Wähler mit seinen sexistischen Äußerungen und seinem Macho-Gehabe eher vergrault, hält Nigel Farage für eine lässliche Sünde. "Wenigstens umgibt Trump eine gewisse Ehrlichkeit. Er ist wie er ist. Er will ja nicht zum Papst gewählt werden, sondern Präsident der USA werden. Er ist ein Mensch. Jeder Mensch hat seine Macken, die wir jetzt alle kennen", gab Nigel Farage in einem Interview mit dem amerikanischen Sender "Fox" zum Besten. Bei Hillary Clinton wisse man nicht so genau, welche Geheimnisse sie noch habe. Den Ausstieg Großbritanniens aus der EU lobt Donald Trump. Die Union hält er für überflüssig, Deutschland für einen Hort des Terrors und der Gewalt.

"Gnade uns Gott"

Der schrille Wahlkampf in den USA, der so ganz ohne Fakten und Sachthemen auskommt, sorgt bei altgedienten Ministern für ungewohnte Reaktionen. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte nach einem Treffen der EU-Finanzminister in Luxemburg, er habe sich das zweite Fernsehduell zwischen Clinton und Trump angeschaut. Dort drohte Trump, Clinton verhaften zu lassen, wenn er erst einmal im Amt sei. "Ich habe mir eine Debatte angeschaut im Fernsehen. Da habe ich das post-faktische Zeitalter genossen. Wenn das das Prinzip wird, wie wir politische Entscheidungen treffen, dann Gnade uns Gott, was Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit angeht", mahnte Schäuble.

Hillary Clinton und Frank-Walter Steinmeier
Alte Bekannte: Außenminister Steinmeier (li.), ClintonBild: Getty Images/AFP/N. Kamm

Jede normalerweise gebotene Zurückhaltung hat der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier abgelegt. Er nannte Donald Trump einen "Hassprediger" und baute ihn selbst in Wahlkampfauftritte ein. Steinmeier steckt den Republikaner, der das ganze System in den USA für betrügerisch hält, in einen Sack mit rechten und linken Populisten in Europa. "Schaut Euch den Schreihals namens Donald Trump in Amerika an. Diese Leute, das eint sie alle, die spielen mit den Ängsten der Menschen", wettert Steinmeier auf Markplätzen in Deutschland.

Mangel an Substanz

Der konservative Europaabgeordnete David McAllister hat den US-Wahlkampf sehr genau beobachtet. Er sei extra nachts aufgestanden, um sich die Fernsehdebatten live anzuschauen. Hinterher habe er sich dann gewundert und gefragt, über was die Kandidaten da eigentlich reden. Über E-Mails, Affären und Kraftausdrücke? Es gäbe so viele Probleme in Syrien, im Irak, in Afghanistan, in der Ukraine und mit Russland, über die man sprechen müsste. "Die Themen, die da besprochen werden, sind aus meiner Sicht nicht wirklich relevant. Ich würde gerne über ernsthafte politische Fragen sprechen in diesen Präsidentschaftsdebatten. Manches, was der republikanische Kandidat da von sich gibt, ist wirklich Anlass zur Sorge."

Bei konkreten Fragen, wie etwa den Handelsverträgen, setzt der USA-Experte McAllister mehr Vertrauen in die ehemalige Außenministerin, obwohl Demokraten traditionell eher zu Protektionismus tendieren. "Wenn man sich die Äußerungen ansieht, die Hillary Clinton und Donald Trump gemacht haben, dann sieht man, dass der transpazifische Handelsvertrag eine wesentlich größere Rolle spielt als der transatlantische Handelsvertrag. Aber von der ersten weiblichen Präsidentin im Weißen Haus könnte man in diesem Bereich sicher mehr erwarten."

Offizielle Äußerungen zum niveaulosen Wahlkampf in den USA gibt es von den EU-Institutionen nicht, aber hinter vorgehaltener Hand ist schon eine gewisse Erleichterung zu spüren, dass der republikanische Kandidat zurückfällt und sich wohl selbst zerlegt. Einen Präsidenten Trump mögen und können sich nur wenige vorstellen. Ein EU-Diplomat meinte im Gespräch schlicht: "Trump ist verrückt. Clinton ist nicht perfekt, aber sie ist berechenbar."

 

Porträt eines Mannes mit blauem Sakko und roter Krawatte
Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union