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USA entlasten Motassadeq

12. August 2004

Überraschung im Prozess gegen den unter Terrorverdacht stehenden Mounir El Motassadeq. Bisher geheime Dokumente aus den USA haben den Marokkaner am zweiten Prozesstag entlastet.

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Motassadeq schweigt zu den VorwürfenBild: AP


Am zweiten Verhandlungstag am Mittwoch (11.8.2004) haben bisher geheime US-Dokumente im Prozess gegen den terrorverdächtigen Marokkaner Mounir El Motassadeq eine überraschende Wendung herbeigeführt: Nach Aussagen von zwei mutmaßlichen Top-Terroristen wusste der Marokkaner nichts von den Anschlagsplänen für den 11. September 2001. Das geht aus den Papieren hervor, die das US-Justizministerium an das Hamburger Oberlandesgericht (OLG) schickte.

Aussagen von Top-Terroristen

Bei den Unterlagen handelt sich um die Zusammenfassungen von Aussagen der mutmaßlichen Top-Terroristen Ramzi Binalshibh und Chalid Scheich Mohammed. Die beiden Zeugen befinden sich in amerikanischem Gewahrsam.

"Motassadeq waren die Aktivitäten der Hamburger Gruppe nicht bekannt", hieß es in der am Mittwoch verlesenen Zusammenfassung der Vernehmung von Binalshibh. Die Unterlagen waren laut Vorsitzendem Richter Ernst-Rainer Schudt am Morgen eingegangen. Es handelt sich nach Angaben der US-Behörde um Zusammenfassung von Befragungen, nicht um direkte Aussagen. Scheich Mohammed sagte demnach, aus Sicherheitsgründen habe Motassadeq nichts von den Anschlagsplänen erfahren.


Zweifel an den Aussagen

Verteidiger Josef Grässle-Münscher erklärte, nun sei die Theorie der "Hamburger Zelle" beerdigt. Ankläger Walter Hemberger äußerte Zweifel an der Wahrheit der Aussageinhalte. Binalshibh gab an, Motassadeq zwei bis drei Mal im Monat im Studentenwohnheim besucht zu haben. Dieser habe an so genannten Dschihad-Treffen in der Wohnung des Todespiloten Mohammed Atta in der Marienstraße teilgenommen.

Motassadeq habe bei Geldüberweisungen vom Konto des Todespiloten Marwan Al Shehhi nicht gewusst, wozu das Geld diene oder wo Al Shehhi sich aufhalte. Diese Kontovollmacht und die Überweisungen werden Motassadeq von der Bundesanwaltschaft als Beihilfe zu den Verbrechen ausgelegt.


Der "letzte" Zeuge


Laut Binalshibh gehörten zur Hamburger Zelle nur er, Atta, Al Shehhi und Ziad Jarrah gehört. Außer Binalshibh sind alle drei tot. Die Polizei hält die Mitgliederzahl der Zelle für größer und zählt auch Motassadeq und die noch flüchtigen Said Bahaji und Zakariya Essabar dazu.

Scheich Mohammed erklärte, er habe Motassadeq im pakistanischen Karatschi getroffen, um dessen Weiterreise in ein Al-Kaida-Trainingscamp in Afghanistan zu organisieren. Binalshibh habe ihn gebeten, dem Angeklagten zu helfen. Mit Motassadeq habe er über dessen Heimatland Marokko gesprochen und über dessen russische Ehefrau. Operative Dinge seien nicht besprochen worden. In dem Brief lehnen die US-Behörden die Vernehmung von Ex-CIA-Chef George Tenet oder eines Stellvertreters ab. Die US-Regierung machte darauf aufmerksam, dass mit den zusammengefassten Aussagen dem Hamburger Gericht die selben Möglichkeiten wie einem US-Gericht gegeben würden.

Vorwurf: Mehrfacher Mord

Die Bundesanwaltschaft wirft dem Elektronikstudenten Motassadeq Beihilfe zum Mord in über 3000 Fällen und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Er war bereits im Februar 2003 vom OLG zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Urteil aufgehoben und bemängelt, dass dem OLG die wichtige Zeugenaussage von Binalshibh nicht vorlag. In der Anklage hieß es, Motassadeq habe die Ansichten der radikalen islamistischen Atta-Gruppe geteilt und dieser bei den Vorbereitungen für die Terroranschläge geholfen. Der Marokkaner sei einer der Statthalter der Todespiloten gewesen.


Prozess-Fortgang unklar

Mit der Übersendung der Unterlagen setzten die US-Behörden eine Ankündung von Dienstag um. In einer Art Vorwort erklärte das US-Justizministerium, eine der Aussagen sei nicht durchgehend stimmig. Daher bestünden Zweifel an den Aussagen über Motassadeq.

Der Vorsitzende Richter Schudt sagte nach der Verlesung: "Wir werden überlegen, was daraus folgt". Bundesanwalt Walter Hemberger sagte, die Aussage von Scheich Mohammed sei sehr interessant, weil sie sich von dem unterscheide, was Motassadeq im ersten Prozess

ausgesagt hatte. (ali)