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Liberalisierung

13. Januar 2012

Jahrzehntelang kämpfte Brasilien für ein Ende der US-Importsteuern für Ethanol. Jetzt setzte der US-Kongress die Handelsbarriere aus. Brasilianische Produzenten feiern, obwohl das Land gar nicht so viel exportieren kann.

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Zuckerrohr
Zuckerrohr: Basis für TreibstoffBild: picture-alliance/RiKa

Mehr als 30 Jahre kämpfte Brasilien gegen die hohen Ethanol-Handelsbarrieren der USA. Jetzt kann das Land endlich einen Sieg gegen den nordamerikanischen Protektionismus verbuchen. Seit dem 1. Januar erheben die USA keine Ethanol-Importsteuer mehr. Diese hatte den brasilianischen Ethanol-Export in die USA enorm erschwert, erklärt die Chefin der Abteilung für Internationale Angelegenheiten des brasilianischen Verbands der Zuckerrohrindustrie Unica (União da Indústria da Cana-de-Açúcar), Géraldine Kutas.

Brasilien gehört weltweit zu den Hauptproduzenten von Biotreibstoff auf Zuckerrohrbasis. Als Reaktion auf die Ölkrise rief das Land in den 1970er Jahren das Projekt "Proálcool" ins Leben. Ziel dieses Projekts war es, die nationale Produktion von Treibstoff aus Zuckerrohr anzutreiben. Heute ist Brasilien der zweitgrößte Ethanol-Produzent der Welt. Nur die USA stellen noch mehr Ethanol her, allerdings auf Maisbasis. Gemeinsam decken die beiden Länder mehr als 70 Prozent der globalen Produktion und mehr als 80 Prozent des weltweiten Handels ab.

Géraldine Kutas arbeitet in Brüssel für Unica. Die jetzige Gesetzesänderung sei "ein starkes Signal für andere Länder und auch für die Europäische Union, die ebenfalls hohe Importsteuern für Ethanol erhebt. Die Tatsache, dass die beiden größten Märkte nun frei handeln können, wird die Europäische Union stark unter Druck setzen".

Brasilien vor großen Herausforderungen

Eine Maschine schneidet Zuckerrohr auf einer Plantage (Foto: ap)
Zu wenig Anbauflächen: wachsende Nachfrage nach EthanolBild: AP

Kurzfristig habe die Marktöffnung aber keinerlei Auswirkung auf die brasilianischen Exportzahlen. "Es wird keinen Export-Boom in die USA geben. Wir haben gar nicht genug Ethanol um große Mengen Ethanol zu exportieren. Das ist die aktuelle Lage und das wird sich auch in den nächsten zwei Jahre nicht sehr ändern", so Kutas.

Die brasilianische Industrie steht vor großen Herausforderungen. Laut Branchendaten bräuchte Brasilien bis zum Jahr 2020 mindestens 120 neue Produktionswerke, um zunächst einmal die wachsende Nachfrage im eigenen Land zu stillen. Brasilien habe ein Problem, erklärt Bruce Babcock, Energiewirtschaftsexperte der Universität Iowa gegenüber DW-WORLD.DE: "Brasilien kann nicht einmal den eigenen Bedarf an Ethanol decken, geschweige denn in die USA exportieren."

Wirtschaftsexperte Babcock glaubt an einen Handelsanstieg – jedoch im umgekehrten Sinne. Er rechnet damit, dass Brasilien eher amerikanisches Ethanol importiert als eigenes in die USA zu exportieren. "Der Ethanolpreis ist den USA nämlich niedriger als in Brasilien. Das bedeutet, dass die Brasilianer ein großes Interesse daran haben werden, das amerikanische Mais-Ethanol zu importieren." Die brasilianischen Produzenten jedoch sehen das etwas anders. Sie argumentieren, dass Ethanol aus Zuckerrohr - wie es in Brasilien hergestellt wird – der effizientere und reinere Treibstoff sei und dass sich Qualität auf lange Sicht durchsetzen würde. Sogar die US-Umweltbehörde EPA bewertet Ethanol aus Zuckerrohr als "fortschrittlichen Biotreibstoff". Durch Einsatz von Biosprit werden im Vergleich zu herkömmlichem Benzin CO2-Emissionsreduktionen von bis zu 90 Prozent erreicht.

Schrittweiser Exportanstieg

Ein Kunde tankt Biosprit an einer Zapfsäule (Foto: dpa)
Begehrter Rohstoff: Auch in Deutschland tankt man BiospritBild: picture alliance/dpa

Die brasilianischen Exporte in die USA werden schrittweise ansteigen, sobald der große Nachbar im Norden mit seinem sogenannten "Biofuel Plan" endgültig Ernst macht. Der Plan ist wohl das weltweit ambitionierteste Projekt in diesem Bereich: Bis 2022 beabsichtigen die USA einen jährlichen Verbrauch von 136 Milliarden Litern Ethanol zu erreichen.

Von dieser Gesamtsumme sollen circa 15 Milliarden Liter aus "fortschrittlichem" Ethanol stammen – und dazu zählt auch das brasilianische Zuckerrohr-Ethanol. "Das stellt sicher, dass die brasilianischen Produzenten eine schrittweise Expansion planen können. Es geht nicht darum, das Ethanol, was eigentlich für den Eigenbedarf produziert wurde, zu exportieren. Die Produzenten haben Zeit genug sich daran zu gewöhnen und auch ihre eigene Produktion daran anzupassen", sagt Geraldine Kutas vom brasilianischen Verbands der Zuckerrohrindustrie Unica.

Ende der US-Subventionen für heimisches Ethanol

Das Ende der Importsteuer für Ethanol bedeutet auch das Ende der Ethanol-Subventionen in den USA. Mit 45 Cents pro Gallone (4,54 Liter) wurde die US-Ethanolproduktion zuvor subventioniert. Darüber hinaus erhoben die USA zum Schutz der einheimischen Industrie eine Zoll-Gebühr von 54 Cents pro importierte Gallone Ethanol.

US-amerikanische Ethanolindustrie braucht dieses Geld nicht, da es immer noch ein Gesetz gibt, das den Ethanolkonsum fördert", erklärt der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Babcock mit dem Hinweis auf den Biofuel Plan. "Auch der hohe Erdölpreis stärkt die Nachfrage nach Biotreibstoff", so Babcock weiter.

Die amerikanische Ethanol-Lobbygruppe (American Coalition for Ethanol) hält jedoch nichts von der jetzigen Gesetzesänderung. "Das Ende der Subventionen bedeutet weniger Jobs und reale Einschnitte in die US-amerikanische Ethanolproduktion", beschwert sich die Lobbygruppe. Sie befürchtet die Streichung von 112.000 Arbeitsplätzen und das Absinken der einheimischen Produktion um 38 Prozent.

Autora: Nádia Pontes
Redaktion: Alexandre Schossler/ Miriam Klaussner