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USA spionieren Norweger aus

4. November 2010

In Norwegen bahnt sich ein Geheimdienstskandal an. Die USA sollen mit Hilfe einheimischer Kräfte hunderte Verdächtige ausgespäht haben. Die Regierung in Oslo verlangt Aufklärung.

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US-Botschaft in Oslo (Foto: ap)
Von hier aus soll die Überwachung gesteuert werden: US-Botschaft in NorwegenBild: AP

"Wir haben von nichts gewusst", sagte Justizminister Knut Storberget am Donnerstag (04.11.2010) dem norwegischen Fernsehsender TV2. Seine Regierung habe eine Untersuchung in Gang gesetzt, ob es irgendwo Genehmigungen gegeben habe, für etwas, was norwegische Gesetze verletzte.

Ausgelöst wurde die Debatte durch Berichte mehrerer Medien des Landes. Danach überwacht ein US-Geheimdienst offenbar in großem Stil Norweger in deren Heimatland und soll dafür bis zu 20 heimische Experten angeheuert haben.

Leiter der im Jahr 2000 gegründeten Organisation SDU (Surveillance Detection Unit) sei ein pensionierter Ex-Chef der Antiterror-Einheit der norwegischen Polizei, hieß es in den Berichten. Neben dem früheren Antiterrorchef sollen mehrere ranghohe ehemalige Beamte der Kriminalpolizei, des Militärs und der Zivilbereitschaft als SUD-Mitarbeiter tätig gewesen sein und sich so ein Zubrot zu ihren Pensionen verdient haben. Sie sollen von einem Gebäude in der Nähe der US-Botschaft in Oslo die Überwachung mehrerer hundert Einheimischer organisieren.

Alles zum Schutz von US-Einrichtungen

Ziel der Geheimdienstaktivitäten soll die Verhinderung von Anschlägen auf das Botschaftsgebäude, die Residenz des Botschafters oder anderer US-Gebäude sein. Dazu seien die Verdächtigen fotografiert und ihre Personendaten erfasst und an die US-Antiterrordatenbank SIMAS (Security Incident Management Analysis System) weitergeleitet worden. So seien auch Teilnehmer an einer US-kritischen Demonstration gefilmt und anschließend in die Überwachung einbezogen worden.

Mann ( Foto: ap)
Bald in Erklärungsnot? Norwegens Ministerpräsident Jens StoltenbergBild: Foto: ap

Der Fall sorgt inzwischen für diplomatische Spannungen zwischen Washington und Oslo. Der norwegische Außenminister Jonas Gahr Støre verlangte von der US-Administration umfassende Aufklärung. Seine Regierung habe von der US-Botschaft "nicht alle gewünschten Antworten bekommen", sagte Støre. Sollten bei den Aktivitäten norwegische Gesetze verletzt worden sein, sei dies eine "ernste Angelegenheit".

SDU ist weltweit tätig

Von US-Seite wurde die Existenz der SDU keineswegs bestritten. Sie soll auch in anderen Ländern außerhalb der USA tätig sein. Der Sprecher des US-Außenministeriums, Philip Crowley, sagte dem Sender TV2, die norwegischen Behörden seien vorab über die Überwachungsaktivitäten informiert worden. Auch Vertreter der norwegischen Polizei erklärten, ihnen sei die Überwachung bekannt gewesen. Das freilich wundert nicht, schließlich sollen Ex-Beamte in den Vorgang involviert sein.

Unangenehm könnten die Enthüllungen deshalb auch für die Regierung von Ministerpräsident Jens Stoltenberg werden: Wusste sie nun von den US-Aktivitäten im eigenen Land und hat sie gedeckt – oder nicht? Justizminister Storberget hat eine Regierungserklärung im Osloer Parlament "Storting" angekündigt.

Autor: Gerhard M Friese (dpa, afp)
Redaktion: Martin Schrader