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"Auch Rivalität ist cool"

Gero Schließ, Washington11. Juni 2015

Initiiert vom Atlantic Council haben zwölf junge Amerikaner und Deutsche eine Strategie für die transatlantischen Beziehungen diskutiert. David Eisler und Lars Miethke erklären im DW-Interview, worum es ihnen geht.

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Lars Miethke und David Eisler (Foto: DW/G. Schließ)
Der Deutsche Lars Miethke (li.) und der Amerikaner David Eisler und ihr Bericht zu den transatlatischen BeziehungenBild: DW/G. Schließ

DW: David und Lars, sind die transatlantischen Beziehungen überhaupt noch cool?

Lars Miethke: Auf jeden Fall sind sie cool. Unsere Generation muss allerdings einen neuen Ansatz finden, damit es cool bleibt. Die ältere Generation lässt bei diesem Thema einiges aus. Es ist wichtig, dass unsere Generation sich einbringt.

David Eisler: Ich bin irgendwie voreingenommen, weil meine Frau Deutsche ist. Auf der geopolitischen Ebene gibt es einen großen Bedarf für Deutschland und die USA, zusammenzugehen. Die strategische Landkarte verändert sich dramatisch. Es wird immer schwieriger, die eigenen Werte in dieser Welt zu vertreten und durchzusetzen.

DW: Sind denn die Jüngeren in den USA überhaupt an Deutschland und Europa interessiert?

David Eisler: Ja, es gibt ein nachhaltiges Interesse, auch wenn das nicht immer so offensichtlich ist. Man denkt immer, die amerikanische Kultur erobert die Welt und nimmt nicht viel von anderen auf. Aber schauen Sie sich die jüngsten Kinofilme und TV-Shows an. Deutschland kommt da ziemlich gut weg. Wir haben inzwischen eine freundliche Rivalität zwischen beiden Ländern. Denken sie beispielsweise an die Fußballweltmeisterschaft. Die Begegnung der deutschen und amerikanischen Mannschaft war das am meisten gesehene Spiel. Freundschaft und Rivalität sind ein wirklich wichtiger Faktor. Sie machen unsere Beziehung cool und sexy.

Zwei Kinder als Fußballfans mit US- und Deutschlandfahnen (Foto: picture-alliance/dpa)
Schon die Kleinsten werden auf deutsch-amerikanische Freundschaft vorbereitetBild: picture-alliance/dpa

DW: Lars, wie ist es mit den Deutschen und ihrem Interesse an Amerika?

Lars Miethke: Viele denken, die deutsch-amerikanische Freundschaft sei gesetzt. Aber das ist gefährlich. Man muss etwas dafür tun. Über die Meinungsverschiedenheiten zur NSA oder dem Irakkrieg von 2003 verliert man sonst den Blick für das, was uns zusammenhält.

DW: Vor kurzem hat die deutsch-amerikanische Taskforce unter der Leitung von Wolfgang Ischinger und Karen Donfried vom German Marshall Fund ihren Bericht abgeliefert. Sie beide sind viel jünger, zwischen 25 und 35 Jahren, und haben Ihren Bericht "Through A New Prism" genannt - und sogar in Videoform zusammengefasst. Wie sieht dieser neue Blick aus?

David Eisler: Die Themen sind dieselben, aber die Art, wie wir sie angehen, ist anders.

DW: Haben Sie ein Beispiel dafür?

Lars Miethke: Wir haben die verschiedenen Problemfelder in den transatlantischen Beziehungen analysiert und festgestellt, dass es Querschnittthemen gibt. Wir sagen, dass unsere Partnerschaft in der Zukunft immer wichtiger wird, weil China, Russland oder Brasilien eine andere Agenda verfolgen als wir.

DW: Aber wäre es nicht auch spannend und folgerichtig, die transatlantischen Beziehungen für andere wie die Chinesen oder Brasilianer zu öffnen?

David Eisler: Ja absolut. Wir haben erst einmal mit den transatlantischen Beziehungen begonnen, aber das ist ein Sprungbrett auch für andere Länder. Das ist ein Projekt der nächsten Generation.

Lars Miethke: Wenn wir unsere guten Erfahrungen mit den Amerikanern auf irgendeine Weise auf unser Verhältnis zu jungen Chinesen oder jungen Brasilianern übertragen könnten, wäre das ein Gewinn. Austauschprogramme sind in diesem Zusammenhang sehr wichtig, auch ich selber habe so meinen Weg nach Amerika gefunden. Wir kritisieren, dass das State Department Austauschprogramme mit dem Deutschen Bundestag weggekürzt hat und fordern, das umgehend zurückzunehmen.

DW: Welche sind Ihre weiteren wichtigsten Politik-Empfehlungen?

David Eiser: Wir haben mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht gefordert. Das gilt zum Beispiel für die TTIP-Verhandlungen.

Protest gegen TTip (Foto: Reuters/W. Rattay)
Auch das Freihandelsabkommen zwischen EU und den USA war Thema der jungen Amerikaner und DeutschenBild: Reuters/W. Rattay

DW: Sprechen wir über Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Die Amerikaner klagen, dass in Deutschland strategische Diskussionen über Energiesicherheit etwa im Persischen Golf oder über Sicherheit für den Mittelmeerraum noch nicht einmal begonnen haben. David, Sie haben als Soldat im Irak und in Afghanistan gekämpft. Wie diskutieren Sie das mit jungen Deutschen?

David Eisler: Das ist eine schwierige Frage. Als früherer Soldat mit einer deutschen Frau und einer nunmehr deutschen Familie werde ich oft als der inoffizielle Vertreter der USA in der Welt gesehen (lacht). Wenn ich mit jungen Deutschen spreche, dann gibt es die Annahme, dass die USA die wichtigste Militärmacht sind und dass die anderen nicht wirklich was machen müssen. Die deutsche Regierung muss das Thema Militär gegenüber ihrer Bevölkerung unbedingt thematisieren!

US-Soldat überwacht Schießübungen (Foto: Getty Images/J. Moore)
David Eisler war auch als Soldat im IrakBild: Getty Images/J. Moore

DW: Die jungen Leute verweisen immer noch auf den Zweiten Weltkrieg, wenn sie die deutsche Zurückhaltung erklären wollen. Kaufen Sie das ihnen ab?

David Eisler: Nein ich kaufe denen das nicht ab. Es ist Zeit, diesen Teil der Geschichte zu begraben. Wir sollten die Erinnerung behalten, aber keiner kann das heutige Deutschland mit dem früheren Nazi-Deutschland vergleichen.

Lars Miethke: Deutschland befindet sich gegenwärtig in einem Transformationsprozess und erhöht sein Engagement militärisch aber auch auf der internationalen Bühne. Das wird hier in Washington anerkannt. In den nächsten drei Jahren wird der Verteidigungshaushalt erhöht. Im Mittelmeer haben sich die Deutschen bei der Rettung der Flüchtlinge stärker eingebracht. Aber es stimmt, dass die deutsche Öffentlichkeit Erklärungen braucht, warum die deutsche Politik das tut, warum sie sich etwa im Irak engagiert oder für TTIP eintritt. Das fehlt bisher in der Diskussion. Wenn unsere Generation die Rückwirkung internationaler Konflikte oder Projekte auf uns in Deutschland nicht erkennt, werden wir dafür in 20 Jahren die Rechnung bezahlen.

Lars Miethke ist Senior Analyst beim internationalen Beratungsunternehmen Avascent und Spezialist für Sicherheitspolitik.

David Eisler ist Wissenschaftler beim Institut für Defense Analyses in Washington.