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USA werfen aus dem Glashaus mit Steinen

Daniel Scheschkewitz, Washington28. Februar 2005

Die US-Regierung hat die Wahrung der Menschenrechte als Grundpfeiler ihrer Außenpolitik deklariert. Das hehre Ideal steht jedoch im Widerspruch zu den Vorfällen in Abu Ghoreib und lässt jeglichen Pragmatismus vermissen.

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Jahr für Jahr schreibt das US-Außenministerium in Washington einen umfangreichen Bericht zur Lage der Menschrechte auf der Welt. Der neue Bericht, der am Montag (28.2.2005) vorgelegt wurde und der auch mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen zustande kommt, soll den Abgeordneten im Kongress als Informationsgrundlage und Entscheidungshilfe in wichtigen außenpolitischen Fragen dienen.

Er ist wichtig und verdienstvoll, weil er ein seltenes Licht auf die Zustände in jenen Ländern wirft, die weder über eine freie Presse noch über eine transparente Menschenrechtspolitik verfügen. In diesem Jahr hat der Bericht jedoch eine zusätzliche Bedeutung erhalten - dadurch dass Präsident Bush in seiner Rede zum Amtsantritt die Förderung von Demokratie und Menschenrechten zur tragenden Säule der amerikanischen Außenpolitik hochstilisierte.

Der Bericht für das Jahr 2004 prangert in seinem Länderteil die üblichen Verdächtigen an: Iran, Syrien, Nordkorea, Birma, China - auch Zimbabwe, Russland und Saudi-Arabien werden mit Kritik nicht verschont. Ganz offenbar ist man in den USA tatsächlich nicht mehr bereit, traditionelle Verbündete von der Kritik auszunehmen, nur weil man sich dadurch strategische oder andere Vorteile verspricht. Dies müssen nun auch die Verbündeten in Zentralasien, sei es Usbeskistan oder die pakistanische Militärregierung von General Musharaf, zur Kenntnis nehmen. Aber Demokratie, dass räumen übrigens auch Mitglieder dieser US-Regierung bereitwillig ein, lässt sich nicht von außen verordnen. Doch können die freiheitsliebenden Kräfte, die unter der häufig brutalen Knechtschaft autoritärer Regime zu leiden haben, unterstützt werden. Sie sollen wissen, dass sie in den USA einen mächtigen Verbündeten haben, dessen Solidaritätsadressen sich allem Anschein nach nicht mehr nur in verbalen Absichtsbekundungen erschöpfen.

Auch bei der Entwicklungshilfe und der wirtschaftlichen Förderung sortieren die USA inzwischen nach dem Menschenrechtskriterium. Das ist zwar gut so, doch lässt diese Politik eines außer Acht: Manchmal ist es gerade die Politik eines konstruktiven Engagements, die in autoritären Regimes den Wandel auslöst - und nicht die Politik der Sanktionen und der Missachtung. Das beste Beispiel dafür ist die Perestroika in der Sowjetunion, die ohne die Entspannungspolitik des Westens wohl so nicht möglich gewesen wäre. Wir schreiben zwar nicht mehr das Jahr 1975. Aber auch die USA müssen ihre auf der Erfahrung des 11. September 2001 beruhende Außenpolitik dem Geschichtstest unterziehen.

Wer an einem Tisch verhandelt, verschafft dem Gegenüber nicht nur ein Stück Legitimation, er sorgt auch für einen Abbau gegenseitigen Misstrauens und schafft neue Spielräume bei der Ausgestaltung der Beziehungen mit dem jeweiligen Land. Davon kann mittelfristig auch die Opposition im Lande profitieren. In einem Klima des Vertrauens zwischen dem Iran und der USA etwa könnte nicht nur die Kontrolle des iranischen Atomprogramm besser funktionieren, auch die Kneblung der Opposition dürfte den Mullahs schwerer fallen, ließe sie sich doch nicht mehr so einfach mit dem Hinweis auf den amerikanischen Aggressor rechtfertigen.

Im Übrigen sei den USA für das Jahr 2004 noch eines in Stammbuch geschrieben: Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht unbedingt mit Steinen werfen! Mit dem Folterskandal im Abu-Ghoreib-Gefängnis und den rechtlosen Zustände in Guantanamo stellte sich Amerika auch selbst an den Pranger. Vor Menschenrechtsverletzungen sind auch demokratische Staaten nicht gefeit.