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Usbekistan: "Weiten Teilen der Bevölkerung platzt der Kragen"

19. Mai 2005

Im Interview mit DW-RADIO äußert sich Uwe Halbach, Russland/GUS-Experte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik, zu den Hintergründen der Proteste in Usbekistan. Sein Fazit: Der Unmut mit dem Karimov-Regime wächst.

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Interview mit DW-RADIO

DW-RADIO: Herr Halbach, haben die Unruhen in Ost-Usbekistan Sie überrascht, oder die brutale Niederschlagung?

Uwe Halbach: Nein, beides hat mich nicht überrascht. Wir haben eine ganze Serie von Protest-Bekundungen in Usbekistan in den letzten Monaten gehabt, so dass sich das Bild abzeichnete, dass in weiten Teilen der Bevölkerung den Leuten der Kragen platzt. Der Unmut mit dem Regime, mit den wirtschaftspolitischen Maßnahmen, aber auch mit seiner politischen Repressivität gegenüber allem, was als islamistisch angesehen wird, hat deutlich zugenommen. Ebenso haben die Gegenaktionen des Staates zugenommen. Es hat sich eine Konfrontation hochgeschaukelt zwischen dem Regime und einer ganzen Reihe von Anti-Regime-Kräften, die bei weitem nicht auf Islamismus beschränkt sind.

Also würden Sie sagen, es handelt sich um ein hausgemachtes, inner-usbekisches Problem?

Ja, mit Sicherheit. Das stereotype Argument der Regierung zum Beispiel bei Terrorakten, die im letzten Jahr stattgefunden haben, ist die Externalisierung, ist der Versuch, das in Verbindung zu bringen mit ausländischen, islamistischen, terroristischen Netzwerken. Aber bei genauerer Beobachtung zeigt sich, dass doch eine Menge inner-usbekischer Stoff dahinter steckt. Ein Unmut, der sich besonders in der Schicht der Basaris niederschlägt, bei den kleinen Händlern im Fergana-Tal, denen der Lebensnerv abgegraben wird von der Regierung. Da mischt sich einiges, da mischen sich soziale Proteste. Aber sicherlich ist es auch so, dass in diese Oppositionshaltung durchaus auch Islamisches einfließt. Man sucht Rückhalt beim Islam. Aber die stereotype Darstellung, dass dies alles islamistische Staatsumstürzer seien, die da am Werke sind, die ist mit Sicherheit nicht richtig.

Ich frage trotzdem: Usbekistan ist also nicht Spielfeld ausländischer Interessen, wegen seiner geostrategischen Bedeutung zum Beispiel, wegen seiner Rohstoffe oder Transportrouten?

Das wird meist übertrieben, diese "Great Game"-Vision in Zentralasien. Jedenfalls haben diese inneren Entwicklungen in Usbekistan damit sicherlich nicht allzu viel zu tun. Aber es ist richtig, dass Usbekistan von den USA als ein strategischer Schlüsselpartner in der Region angesehen wird. Man hat der westlichen Politik, insbesondere der amerikanischen, immer den Vorwurf gemacht, dass sie hier Sicherheit vor Freiheit stellt und hier mit einem Regime zusammenarbeitet, dass sehr fragwürdig ist aufgrund seiner repressiven Politik.

Rosenrevolution in Georgien, orange Revolution in der Ukraine, Machtwechsel in Kirgisistan – stürzt jetzt das nächste Regime, nämlich das von Usbekistan?

Es gibt sicherlich eine große Verunsicherung im gesamten post-sowjetischen Raum, ausgelöst durch die Rosenrevolution in Georgien erstmalig, und dann die weiteren Entwicklungen in der Ukraine und nun auch in Kirgisistan. Ich würde aber keine Kette daraus machen. Schon Kirgisistan hat sich deutlich unterschieden von dem, was in Georgien oder in der Ukraine vor sich gegangen ist. In Usbekistan sehe ich keine strukturierte Opposition, die so etwas veranstalten könnte wie die Opposition in Kiew. In Usbekistan sehe ich, dass hier ein Druckkessel entstanden ist, der am ehesten darauf hinweist, dass hier etwas Gefährliches passieren könnte.

Das Interview führte Stefan Dege
DW-RADIO, 16.5.2005, Fokus Ost-Südost