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Väterchen Frost macht ernst

Stephan Hille, Moskau17. Januar 2006

Die Russen sind einiges an Minus-Temperaturen gewöhnt. Doch bei minus 50 Grad schauen selbst sie erstaunt aufs Thermometer. Und der Sprung ins Eisloch fällt besonders schwer.

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Stephan Hille

Nach dem Feiern kommt das große Frieren. Gerade erst so langsam erwacht Russland aus dem Feiertagsschlaf, da wird das Land prompt von bitterem Frost und einer extremen Kältewelle erfasst. Noch am 7. Januar begingen die Russen bei schlappen Temperaturen von knapp unter null Grad das orthodoxe Weihnachtsfest - die Russisch-Orthodoxe Kirche folgt noch immer dem julianischen Kalender, der dem gregorianischen Kalender um 13 Tage hinterher hinkt - doch nun schlägt Väterchen Frost unerbittlich zu, kaum sind die Weihnachtsferien vorbei.

Steil wie ein Eiszapfen fielen die Temperaturen allein in Moskau am Montag binnen weniger Stunden um 18 Grad, just an dem Tag, an dem Bundeskanzlerin Angela Merkel zu ihrem Antrittsbesuch nach Moskau reiste. Mit einer politischen Eiszeit hat der Temperatursturz natürlich nichts zu tun, auch wenn Merkel die deutsch-russischen Beziehungen "ent-Schrödern", sprich von enger Freundschaft auf eine strategische Partnerschaft herunterfahren will.

Schulfrei bei minus 24 Grad

Nein, die Kälte kam nicht mit Frau Merkel aus dem Westen, sondern mit einem Zyklon aus Sibirien, wo bereits vor einigen Tagen in einigen Orten das Quecksilber auf rekordverdächtige 53 Grad unter Null sank. An einigen Orten brach dabei der Nah- und Fernverkehr sowie vereinzelt auch die Stromversorgung zusammen, für viele Schulkinder verlängerten sich die Winterferien. Die Behörden riefen den Notstand aus, doch die extreme Kältewelle führte zu weniger Havarien als befürchtet.

Nun werden in Moskau in den nächsten Tagen frostige Temperaturen bis zu minus 34 Grad erwartet. Der halbstaatliche Energieversorger RAO UES hat bereits die Moskauer vor möglichen Stromausfällen gewarnt, doch die Stadtregierung hat mögliche Ausfälle von Elektrizität oder Fernwärme so gut wie ausgeschlossen und die Wartungsbrigaden in erhöhte Einsatzbereitschaft versetzt. Sobald das Thermometer auf unter minus 24 Grad fällt, bleibt es Eltern vorbehalten, ihre Kinder nicht in die Schule zu schicken. Den Obdachlosen soll bei den extremen Temperaturen Zuflucht in U-Bahnstationen gewährt werden.

Sünden abwaschen

Die Moskauer nehmen die Kältewelle gelassen. Wer kann, nutzt jede freie Minute, um auf Schlittschuhen über die vielen Eisflächen in den Parks zu flitzen oder auf die Langlaufskier zu steigen.

Hart allerdings dürfte es für die vielen Russen sein, die traditionsgemäß in der Nacht vom 18. Januar auf den 19. Januar ins Eisloch springen. Nach dem orthodoxen Kirchenkalender wurde am 19. Januar Jesus im Jordan getauft. Und nach russischem Glauben soll der Sprung ins Eiswasser nicht nur die Sünden abwaschen, sondern auch die Abwehrkräfte stärken. Ganz nach dem Motto: Was einen nicht umbringt, macht einen stark.