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Vage Hoffnung auf lokale Kämpfer

Bernd Gräßler3. Dezember 2015

Die Bundeswehr schickt "Tornado"-Aufklärer nach Syrien. Sie sollen helfen, den IS einzudämmen. Doch ob der militärische Einsatz ein Erfolg wird, entscheiden letztlich die politischen Verhandlungen in Wien.

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Tornado Pilot (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/R. Hirschberger

Die Frage nach den Bodentruppen sei eine sehr berechtigte Frage, findet die Verteidigungsministerin. Ihre Antwort ist klar: Es sollen keine Deutschen, Amerikaner oder Franzosen sein, die in Syrien den "Islamischen Staat" (IS) bekämpfen, sondern lokale Bodentruppen: "Alle Erfahrenen sagen, dass dieses das erfolgversprechendste Vorgehen ist, weil es die Motivation vor Ort braucht, die eigene Heimat freizukämpfen."

Im gleichen Atemzug verweist Ursula von der Leyen vor der Hauptstadtpresse in Berlin darauf, wie schwierig es in Syrien ist, diese Bodentruppen zu finden, da die Rebellengruppen nicht nur mit Machthaber Baschar al-Assad, sondern auch untereinander zerstritten sind. Aber: Abhilfe soll der in Wien begonnene Verhandlungsprozess schaffen, an dem eine große Anzahl der für den Syrien-Konflikt relevanten Akteure beteiligt sind. Waffenstillstand und dann alle gemeinsam gegen den IS, so lautet die - nicht nur deutsche - Hoffnung.

Peschmerga-Ausbildung als Vorbild

Einen Tag vor der Bundestagsabstimmung versucht die Ministerin Zweifel zu zerstreuen über die Syrien-Mission, die plötzlich und eilig über die Bühne des Bundestages gehen soll. Sie führt das positive Beispiel des Irak an, wo die unter anderem von der Bundeswehr ausgebildeten Truppen der Kurdenmiliz Peschmerga in den vergangenen Monaten den Nimbus der Unbesiegbarkeit des IS zerstört hätten. 5500 Peschmerga-Kämpfer und ein Bataillon der Jesiden seien in einer außerordentlich erfolgreichen Ausbildungsmission trainiert worden, verkündet die Verteidigungsministerin. Auch damals habe es viele Zweifel und Einwände in Deutschland gegeben, als die Regierung ein Mandat des Bundestages dafür haben wollte.

Man müsse in einem solchen Kampf wie gegen den IS manchmal auch bereit sein, Schritte zu gehen, bei denen nicht alle Bedingungen von vornherein gesichert seien, sagt die Ministerin. Immer wieder kommt sie auf "den politischen Hauptprozess", die Verhandlungen von Wien, zurück. Entscheidend sei, ob es gelinge, die rund 800 bis 1200 unterschiedlichen Rebellengruppen und -grüppchen auf den gemeinsamen Feind IS einzuschwören.

"Es kann nicht genug Aufklärung geben"

Auch die Querelen zwischen externen Akteuren wie der Türkei und Russland könnten beiseite gedrängt werden, meint von der Leyen: "Wir haben einen schmalen gemeinsamen Pfad." Das sei das gemeinsame Interesse, dass Tausende ausländische Kämpfer des IS nicht als Terroristen in ihre jeweiligen Heimatländer zurückkehrten. Eine Zusammenarbeit "mit Truppen unter Assads Kommando" könne es aber nicht geben, versichert die Verteidigungsministerin. Eine feine Nuance, denn die theoretische Möglichkeit bleibt offen, mit syrischen Einheiten zu kooperieren, die vielleicht irgendwann einmal nicht mehr von Assad kommandiert werden.

von der Leyen (r.) und Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker
Auf der Suche nach den passenden Bodentruppen: Verteidigungsministerin von der LeyenBild: Reuters/H. Hanschke

An der Seite von Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker erläuterte die Ministerin, warum die späte deutsche Hilfe bei der Ausspähung des IS-Feindes durch 1200 Soldaten, sechs Tornado-Flugzeuge und einen Satelliten so wichtig sei: Man könne gar nicht genug Aufklärung haben, vor allem wenn es darum gehe, zivile Opfer zu vermeiden. Wieker informiert, die Strategie der Luftschläge - vorerst ohne Bodentruppen - bestehe darin, den IS einzudämmen, seine Nachschub- und Versorgungslinien zu unterbinden, einschließlich der Rekrutierungen. "Wir müssen seine Ausbildungsbasen zerstören und ihn dort isolieren, wo wir ihn nicht bekämpfen können, nämlich dort, wo er ganz eng mit der Zivilbevölkerung in den Städten verzahnt ist", sagt Wieker. Die seit langem bekannten Ausrüstungsmängel der Bundeswehr werden dem Einsatz nicht im Wege stehen, denn immerhin 30 von 66 "Tornados" seien intakt, teilte der oberste deutsche Soldat mit.

Langes "egoistisches Wegschauen"

Seit den Anschlägen von Paris drückt auch die deutsche Regierung aufs Tempo bei der Bekämpfung des IS. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages, Norbert Röttgen, liefert dazu bei einem Treffen mit seiner französischen Kollegin Elisabeth Guigou in Berlin am gleichen Tag einen bemerkenswerten Kommentar: Es sei ein notwendiger Teil deutscher und europäischer Selbstkritik, dass man lange Zeit den bequemen Weg des egoistischen Wegschauens gewählt habe, weil die Probleme so enorm groß seien: "Von der Flüchtlingsbewegung, die wir haben, bis hin zu der verworrenen, komplexen Kriegssituation in Syrien und darüber hinaus."

So schnell wie die Briten, die noch am Mittwochabend nach einem Parlamentsbeschluss ihre Flugzeuge Angriffe in Syrien fliegen ließen, wird Deutschland nicht sein können. Denn die Briten sind mit ihren Maschinen bereits seit langem im benachbarten Irak im Einsatz. Falls der Bundestag erwartungsgemäß am Freitag die Entsendung beschließt, dann könnten die ersten Bundeswehr-"Tornados" immerhin in der kommenden Woche in Syriens Nachbarland Türkei verlegt werden, kündigt Generalinspekteur Wieker an. Wann sie zu den ersten Aufklärungsflügen starten, ist offen. Zulezt war von kommendem Januar die Rede, weil die Auswertungseinheit für die Aufnahmen derzeit mit ihrer Technik noch bei einem Großmanöver in Spanien sei.