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"Inder erwarten Umschwung"

Gabriel Domínguez/ci17. Mai 2014

Für den designierten indischen Premierminister Narendra Modi von der hindu-nationalistischen BJP wird es schwierig, sein Wirtschaftsprogramm durchzusetzen, sagt Politikwissenschaftler Milan Vaishnav im DW-Interview.

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Milan Vaishnav Carnegie Endowment for International Peace
Bild: Carnegie Endowment for International Peace

DW: Die BJP ist die erste Partei seit 30 Jahren, die in Indien eine absolute Mehrheit erreicht. Was bedeutet der Sieg für das Land?

Milan Vaishnav: Es ist ein wahrhaft historischer Sieg. Dass es der BJP gelungen ist, eine absolute Mehrheit im Parlament zu bekommen, ist völlig beispiellos. Seit der Unabhängigkeit Indiens hat das bislang nur die Kongress-Partei geschafft.

Welche Erwartungen haben die Inder an eine Regierung unter Modi?

Die Erwartungen sind sehr hoch. Modi durchquerte das Land unermüdlich und versprach, nach einem Wahlsieg Indiens Wirtschaft wieder zu beleben, Millionen neuer Arbeitsplätze zu schaffen und die anhaltend hohe Inflation zu bändigen. Jetzt erwartet man von ihm einen schnellen wirtschaftlichen Umschwung.

Was sind die Herausforderungen für die neue Regierung?

Wirtschaftlich gibt es mehrere Hürden. Zunächst kontrolliert die BJP nur das Unterhaus des Parlaments. Im Oberhaus hingegen fehlt die Mehrheit. Die zweite Einschränkung betrifft das politische System Indiens. Denn das Land wird zunehmend durch seine Staaten regiert statt von der Zentralregierung in Neu-Delhi. Das bedeutet, Modi wird als Ministerpräsident weniger Einfluss haben als einige seiner Vorgänger, um eine wirtschaftliche Reformagenda auf den Weg zu bringen. In sozialen und politischen Fragen wird er ein klares Signal senden müssen, um zu zeigen, dass er der Ministerpräsident von ganz Indien ist und nicht nur der Hindu-Mehrheit. Viele Minderheiten werden ihn wegen der Verbindungen seiner BJP zur außerparlamentarischen, hindu-nationalistischen Bewegung Sangh Parivar mit großer Skepsis beäugen - nicht zu vergessen die Unruhen in Gujarat 2002, die unter seinen Augen als Ministerpräsident dieses Bundesstaat stattfanden. Ohnehin wählte nur ein Drittel der Inder tatsächlich die BJP. Der Rest der Stimmen ging an die Kongress-Partei und viele kleinere regionale Parteien. Diese Bürger muss er erst noch für sich gewinnen.

Was waren die Hauptthemen bei den Wahlen?

Es ging vor allem um ökonomische Inhalte. Laut Umfragen beeinflusste die nachlassende Wirtschaftskraft des Landes die meisten Wähler. Hinzu kamen Entwicklungsmangel, Arbeitsplätze, Korruption und hohe Inflation. Themen wie Recht und Ordnung oder Identitätsfragen waren weniger ausgeprägt, sind allerdings nicht zu vernachlässigen.

Welche Faktoren haben zum Erfolg der BJP beigetragen?

Zunächst einigte sich die Partei früh auf Modri als Kandidaten. Dadurch konnte sie ihn zu einer glaubwürdigen Führungspersönlichkeit mit großer Ausstrahlung aufbauen - im Gegensatz zur Kongress-Partei, die Rahul Gandhi, Vizepräsident der Partei und Erbe der Nehru-Gandhi-Dynastie, nicht zu ihrem Kandidaten ausrief. Auch die Botschaft der BJP gefällt den Indern. Zumindest auf nationaler Ebene steht sie für eine starke Regierung und Entwicklung. Die generelle Ausrichtung der Partei rund um die Entwicklung Indiens ist weitgehend deckungsgleich mit den Sorgen der Wähler. Zudem achtete Modi akribisch darauf, die Botschaft der Partei auf die indische Jugend und die wachsende städtische Bevölkerung auszurichten - Bevölkerungsgruppen, die die Kongress-Partei ignoriert hatte. Und wenn nicht, versprach sie ihnen eher Sozialhilfe, statt Wachstum, Beschäftigung und sozialer Mobilität.

Modi, der bis jetzt Ministerpräsident des indischen Staats Gujarat ist, wird für den wirtschaftlichen Erfolg dort gelobt. Lässt sich das Modell Gujarat wirklich in ganz Indien umsetzen?

Das wird extrem schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Wegen Neu-Delhis begrenzter Macht über die Bundesstaaten, der weitläufigen zentralen Bürokratie und der Notwendigkeit, Koalitionen zu schmieden, wird Modi Kompromisse eingehen müssen, mit denen er sich schlichtweg nicht herumschlagen musste, als er Gujarat in den vergangenen zwölf Jahren regierte.

Welche Auswirkungen wird Modis erwartete Ernennung zum Ministerpräsidenten auf Nachbarländer wie Pakistan und China haben?

Modis Mandat ist zunächst einmal ein innerstaatliches. Ich denke, dass wir in der Außenpolitik zumindest auf kurze Sicht mehr Kontinuität als Wandel zu erwarten haben. Modi erkennt, dass Feindseligkeiten mit China oder Pakistan für die Märkte schlecht wären, was wiederum seine eigene innenpolitische Agenda untergraben würde.

Die BJP wird im Gegensatz zu früheren Regierungen ohne die Unterstützung von widerspenstigen Partnern regieren. Welche Auswirkungen könnte das auf die Umsetzung der dringend benötigten Reformen haben?

Die BJP wird immer noch Koalitionspartner haben, die Teil der National Democratic Alliance (NDA) sind. Allerdings wird Modi in einer viel stärkeren Position sein, um Kabinettssitzungen zu planen und politischen Prioritäten zu diktieren. Es würde mich aber auch nicht überraschen, wenn die BJP versucht, ihre Bündnisse zu erweitern, sei es durch die Übernahme neuer Partner oder Unterstützung von außen, um die Arbeit der BJP im Oberhaus - und vor allem in den Staaten - zu erleichtern.

Milan Vaishnav arbeitet für das Südasien-Programm an der Carnegie Stiftung für internationalen Frieden in Washington. Sie können ihm auf Twitter folgen @ MilanV.

Das Interview führte Gabriel Domínguez.