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Vatikan will Missbrauch schärfer bekämpfen

15. Juli 2010

Die katholische Kirche will künftig schärfer gegen Priester vorgehen, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben. Die deutschen Bischöfe begrüßen den Schritt, Opfervertreter sprechen von vertanen Chancen.

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Kirchenanwalt Charles Scicluna (links) und Vatikan-Sprecher Federico Lombardi (Foto: AP)
Kirchenanwalt Scicluna (l.)und Vatikan-Sprecher Lombardi stellen die Regeln vorBild: AP

Der Vatikan hat die kirchenrechtlichen Normen für die Bekämpfung sexuellen Missbrauchs durch Geistliche verschärft. Die am Donnerstag (15.07.2010) von Vatikan-Sprecher Federico Lombardi veröffentlichten Regeln ermöglichen unter anderem kirchliche Schnellverfahren gegen pädophile Geistliche. Dadurch könne ein Verfahren außergerichtlich zügiger abgewickelt werden, oder der Fall könne direkt dem Papst vorgelegt werden, sagte Lombardi in Rom. Papst Benedikt XVI. entscheide dann über die Entlassung eines Priesters. In die Kirchengerichte können außerdem künftig auch Laien berufen werden. Charles Scicluna, der für Sexualstraftaten zuständige Staatsanwalt des Vatikans, bezeichnete die neuen Regelungen als "großen Fortschritt".

Die neuen päpstlichen Normen sehen vor, die Verjährungsfrist für Missbrauchsdelikte im Kirchenrecht von bislang zehn auf 20 Jahre anzuheben. Außerdem wird erstmals festgestellt, dass der Besitz oder die Verbreitung kinderpornografischen Materials nach dem Kirchenrecht ein Verbrechen darstellt. Auch sexuelle Übergriffe auf geistig behinderte Erwachsene werden künftig schärfer geahndet. In dem Erlass wird aber von Bischöfen nicht gefordert, Missbrauchsfälle der Polizei zu melden.

Auch Priesterinnenweihe gilt als Verbrechen

In dem Dokument wird außerdem der Versuch, eine Frau zur Priesterin zu weihen, als "schweres Verbrechen" bezeichnet, wie dies auch für sexuellen Missbrauch gilt. Kritiker monieren, dass beides im selben Erlass erwähnt wird, weil dies eine Gleichsetzung beider Sachverhalte impliziere.

Die Veröffentlichung hat wegen des jüngsten Skandals um hunderte Fälle pädophiler Priester besondere Brisanz bekommen. Auch ranghohe Mitglieder des Klerus sollen Fälle von sexuellem Missbrauch systematisch vertuscht haben. Opfer kritisierten, den Bischöfen und der Glaubenskongegration, der der heutige Papst Benedikt XVI. als Kardinal von 1981 bis 2005 vorstand, sei es vor allem um den Schutz der Kirche gegangen.

Gottesdienst im Petersdom (Foto: AP)
Der Missbrauchskandal erschüttert die katholische Kirche seit MonatenBild: AP

Lob von Bischöfen - Kritik vom Opferverband

Die katholische Deutsche Bischofskonferenz begrüßte die neue Regelung. Der Vatikan gebe damit "ein klares Signal für die rückhaltlose Aufklärung und Ahndung solcher Untaten", sagte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Dagegen kritisierten Vertreter der Opfer das Papier. Barbara Dorris vom Überlebenden-Netzwerk von Priestern Missbrauchter sagte, die neuen Regeln könnten "in drei Wörtern zusammengefasst werden: die Gelegenheit verpasst". Sie befassten sich lediglich mit einem Teilproblem, der Amtsenthebung pädophiler Priester. Doch seien relativ wenige Kinder missbraucht worden, weil Priester nicht schnell genug abgesetzt worden seien. Hunderttausende seien jedoch durch das Vorgehen von Bischöfen und anderen Kirchenmitarbeitern zum Opfer geworden.

Autor: Martin Muno (afp, apn, rtr, kna, epd)
Redaktion: Reinhard Kleber

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