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Kundenschwund

17. Juli 2009

Nach dem erneuten Störfall im Atomkraftwerk Krümmel haben viele Kunden ihr Vertrauen in den Betreiber Vattenfall verloren. Dem Stromkonzern droht eine Kündigungswelle. Davon profitieren vor allem Anbieter von Ökostrom.

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Greenpeace-Aktivisten protestieren vor AKW Krümmel in Schlewsig-Holstein (Foto: AP)
Greenpeace-Aktivisten protestieren vor AKW Krümmel in Schlewsig-HolsteinBild: AP
Die Telefone in der Energieberatung von Hamburgs Verbraucherzentrale stehen nicht still. "Seit der Krümmelpanne wollen die Kunden Vattenfall verlassen. Viele von ihnen wechseln gleich zum Ökostromanbieter", weiß Günter Hörmann, der Geschäftsführer der Verbraucherzentrale.

Vattenfall noch keine Zahlen

Dass ihrem Konzern gerade die Kunden weglaufen, das möchte Sabine Neumann, Sprecherin von Vattenfall, so nicht bestätigen. Aufgrund der organisatorischen Regelungen beim Wechsel von einem Anbieter zum anderen, erfahre das der ehemalige Anbieter erst mit ein paar Wochen Verzögerung. Im August wisse man mehr. Allerdings kann sie nicht ausschließen, dass es tatsächlich zu einem Abgang ihrer Kunden kommen wird. "Wir beobachten den Markt", so Neumann.

Rosige Zeiten für Anbieter erneuerbarer Energien

Windmühlen aus der Stadt Dardesheim (Foto: dpa)
Anbieter von Windenergie profitieren vom Vertrauensverlust bei VattenfallBild: picture alliance / dpa

Auf dem Markt für Ökostrom steht Lichtblick aus Hamburg ganz oben auf der Liste. Die Zahl der Neukunden sei seit dem Zwischenfall in Krümmel um rund 70 Prozent gestiegen. Das sind 500 Anmeldungen pro Tag bundesweit - und für den Vorstandsvorsitzenden von Lichtblick, Gero Lücking, auch 500 politische Statements. "Die Kunden wissen, dass sie mit dem Stromanbieterwechsel eine energiepolitische Entscheidung kundtun", sagt Lücking. "Sie zeigen Vattenfall die Rote Karte."

Greenpeace Energy, Deutschlands einzige Energiegenossenschaft, kann ebenfalls regen Zulauf verzeichnen. Ein Plus von 300 Prozent in den letzten Wochen. "Gerade aus Berlin und Hamburg ist ein verstärktes Interesse zu verzeichnen", resümiert Robert Werner. Der 42jährige ist Vorstandsvorsitzende des Anbieters für "ehrlichen Strom" - so der Greenpeace-Slogan.

Licht einschalten mit gutem Gewissen

Wolken über einem Strommast (Foto: AP)
Dunkle Wolken könnte Krümmel auch für andere konventionelle Stromanbieter hinter sich ziehenBild: AP

Ökostrom boomt. Doch nicht überall, wo grün draufsteht, ist auch grün drin - warnen Verbraucherschützer. Es wird empfohlen, zu einem konzernunabhängigen Stromanbieter zu wechseln. "Die Ökostrom-Tarife der vier Großkonzene E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW sind nicht empfehlenswert", so Günter Hörmann von der Verbraucherzentrale Hamburg. Wenn man als Konsument etwas für den Klimaschutz tun wolle, müsse man zu einem Anbieter wechseln, der ausschließlich Strom aus erneuerbaren Energien bezieht. Lichtblick, Greenpeace Energy oder die Naturstrom AG aus Düsseldorf haben sich das auf ihre Fahnen geschrieben.

Bereits 12 Prozent Ökostrom im Mix

Ökostrom kann man nicht erkennen. Denn wer grünen Strom bestellt hat, bekommt den gleichen Saft ins Haus geliefert, wie die konventionellen Kunden auch. Jeder Kunde bekommt immer einen Mix. Denn: Alle Stromanbieter speisen ihre Elektrizität in das gleiche Netz ein, wie in einen See. Daraus werden die Haushalte gleichzeitig beliefert. Im momentanen Strommix sind bereits zwölf Prozent Ökostrom enthalten, weshalb der Wechsel zu Ökostromanbietern nicht unsinnig ist. "Sie können sicher sein, dass das Geld, das Sie für Ihre Stromrechnung bezahlen, nicht in Atomkraftwerken oder Kohlekraftwerken landet", betont Robert Werner von Greenpeace Energy. Hier werde nur Strom aus Wasserkraft- und Windkraftanlagen angeboten - dort lande das Geld der Kunden.

Vattenfall will Vertrauen zurück

Atomkraftwerk Krümmel (Foto: AP)
Atomkraftwerk Krümmel an der Elbe - die Idylle täuschtBild: AP

Der in der Kritik stehende Großkonzern Vattenfall bemüht sich indes um Schadensbegrenzung. "Wir werden uns mit verschiedenen Mitteln bemühen, das Vertrauen bei den Kunden wieder zu gewinnen", verspricht Sabine Neumann, die Sprecherin aus Hamburg. Ein wichtiger Aspekt dabei sei in erster Linie, die Vorkommnisse von Krümmel gänzlich aufzuklären und herauszufinden, was dazu geführt habe.

Bereits 2007 gab es einen Störfall im Atomkraftwerk Krümmel. Damals war ebenfalls ein Maschinentransformator in Brand geraten, nachdem ein Lichtbogen Öl entzündet hatte. Die Konsequenz: Der Reaktor stand zwei Jahre still. Und Vattenfall verlor damals 250.000 Kunden.

Autorin: Verena Herb

Redaktion: Zhang Danhong