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Überstunden für den Sozialismus in Venezuela

Evan Romero-Castillo / ut22. Dezember 2015

Eigentlich sind die Tage der Regierungspartei in Venezuela nach 16 Jahren gezählt. Nach der Wahl hat die Opposition die Mehrheit im Parlament. Doch die Abgeordneten scheinen ihre Niederlage nicht akzeptieren zu wollen.

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Parlamentspräsident Diosdado Cabello (Foto: dpa)
Ist in seinen letzten Tagen noch sehr aktiv: Parlamentspräsident Diosdado CabelloBild: picture-alliance/dpa/M. Gutiérrez

Die Ergebnisse sind eindeutig: Das oppositionelle Parteienbündnis MUD ("Demokratische Einheit") stellt künftig 112 der 167 Abgeordneten im venezolanischen Parlament und beendet damit die 16-jährige Dominanz der PSUV um den verstorbenen Ex-Staatspräsidenten Hugo Chávez und seinen Nachfolger Nicolás Maduro. Doch die chavistischen Abgeordneten nutzen die letzten Tage der Legislaturperiode intensiv.

So legte der scheidende Parlamentspräsident Diosdado Cabello kurz nach den Wahlen die Parlamentsberichterstattung in die Hände der eigenen Mitarbeiter. Weitere Eigenmächtigkeiten seinerseits reichten bis hin zur Installation eines "Nationalen Kommunalparlaments". Verfassungsrechtler nennen es illegal, weil es eine Art “Parallelparlament” darstelle.

Zudem ernannte Cabello kurz nach Verkündung der Wahlergebnisse die umstrittene Richterin Susana Barreiros zur Anwältin des Volkes - ein hohes Amt, welches sie für sieben Jahre übernehmen wird. Barreiros hatte den Oppositionsführer Leopoldo López zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt. Das Urteil wurde sowohl in Venezuela als auch im Ausland wegen Unregelmäßigkeiten stark kritisiert.

Und nun folgt die nächste Provokation der chavistischen PSUV: Kurz vor Ende der letzten Legislaturperiode will Parlamentspräsident Cabello in einer außerordentlichen Parlamentssitzung zwölf neue Richter am Obersten Gerichtshof ernennen. Schon bei Bekanntwerden der Initiative warf das Bündnis MUD der Regierung vor, mehrere Mitglieder des Obersten Gerichts zur Niederlegung ihrer Ämter gezwungen zu haben, um diese neu zu besetzen.

Nicolas Maduro steht im Scheinwerferlicht (Foto: Reuters/Miraflores Palace)
Noch bis 2019 im Amt: Nicolás MaduroBild: Reuters/Miraflores Palace

Vorzeitige Präsidentschaftswahlen

Das anti-chavistische Oppositionsbündnis MUD glaubt, dass die PSUV sich mit diesen Aktionen den Rücken frei halten will, um so den Spielraum der Opposition in der nächsten Legislaturperiode so weit wie möglich einzuschränken.

"Theoretisch könnten sie mit diesen Tricks ihr Ziel erreichen", sagt Klaus Bodemer, Experte des GIGA-Instituts für Globale und regionale Studien in Hamburg: "Aber da die Opposition eine qualifizierte Mehrheit von zwei Dritteln im Parlament hat, kann sie die in letzter Minute neu ernannten Richter wieder abberufen."

Die Gegner der chavistischen PSUV könnten sogar einen Prozess in Gang setzen, um Staatspräsident Maduro abzusetzen, ergänzt Bodemer: "Und wenn sie damit Erfolg haben, können sie vorzeitige Präsidentschaftswahlen einberufen." Derartige Pläne wurden bereits von Politikern der MUD geäußert. Eigentlich endet Maduros Amtszeit 2019.

Hindernisse und Konflikte

Victor Mijares forscht ebenfalls für das GIGA-Institut und befindet sich derzeit in der venezolanischen Hauptstadt Caracas. Der Politologe glaubt, dass die aktuelle Priorität der chavistischen Elite darin bestehe, den neuen Abgeordneten Hindernisse in den Weg zu legen und so Konflikte zu schüren.

Jubelnde Politiker (Foto: Reuters/C. Rawlins)
Jubelnde Gewinner: Die Abgeordneten des Oppositionsbündnis MUDBild: Reuters/C. Rawlins

Zudem sei es wahrscheinlich, dass die chavistischen colectivos - teils bewaffnete Stadtteil-Organisationen von Anhängern der chavistischen Regierung - die Parlamentarier der MUD und ihre Sympathisanten einschüchtern wollen, sagt Mijares. Venezolanische Zeitungen berichteten, dass der Gouverneur des Bundesstaates Aragua Anhänger der PSUV für den 5. Januar 2016 zu einem massiven Aufmarsch vor dem Parlamentsgebäude aufgerufen habe. Der 5. Januar ist der Tag, an dem die neuen Abgeordneten der Opposition ihre Parlamentssitze einnehmen. "Es wird ein Kampf des Volkes", soll der Gouverneur gesagt haben.

Mijares stellt heraus, dass vor allem die oberste Führungsschicht der PSUV die Konfrontation suche. Es sei nicht die breite Masse der Chavisten. Mit seinem Konfrontationskurs begehe Präsident Maduro einen Fehler, glaubt Politologe Mijares: "Er müsste auch wegen der vielen bevorstehenden Wirtschaftsreformen mit der MUD kooperieren."

Venezuela steckt in einer tiefen Wirtschaftskrise. Für 2015 wird eine Inflationsrate von rund 200 Prozent erwartet. Da das Land sich vor allem durch den Export von Öl finanziert und die Preise derzeit auf einem historischen Tiefstand sind, wächst der Druck auf den Präsidenten, einen Weg aus der Krise zu finden.