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Verabredung zum Dinner

Rafael Heiling13. Dezember 2002

Der "Kannibale von Rotenburg" hat sein Opfer über das Internet gefunden. Sehr schwer war das offenbar nicht. Groteske Web-Seiten, auf denen sich Menschen wie Armin M. austauschen, sind frei zugänglich.

https://p.dw.com/p/2zhu
Tatort SchlachtraumBild: AP

Unter dem Pseudonym "Franky" soll Armin M. in einem einschlägigen Internetforum einen Aufruf gestartet haben – mehrmals, auch noch am 18. August, 13:30 Uhr: "Hi, bist du zwischen 18 und 30 Jahren alt und hast einen normal gebauten Körper, und möchtest du gerne geschlachtet werden, dann komm zu mir, ich werde es machen. Bewerbung bitte mit Angabe von Alter, Größe und Gewicht, am besten mit Foto." Darauf meldete sich bei ihm Bernd B. Die Polizei fand seine sterblichen Überreste in einer Tiefkühltruhe.

Mit Pseudonym in den Tod

In dem Forum tummeln sich Menschen mit Pseudonymen wie "süsserschmerz", "Dunkler Lord" oder "Hannibal" in Anspielung auf den menschenfressenden Protagonisten im Horrorfilm "Das Schweigen der Lämmer". Und was diese Personen dort schreiben, dreht anderen den Magen um. "Weihnacht/Neujahr gehe ich nach Norditalien und hätte Zeit, Lust und Gelegenheit einer zärtlichen schönen Frau langsam aus dem Leben zu helfen.", schreibt "Freddy". Und "Sabine" sucht einen "Metzger", der sie "langsam schlachtet". Antworten kommen direkt, E-Mail-Adresse inklusive. Auch ein Franzose namens "Florent" sucht auf seiner Webseite "hungrige Menschen", die ihn essen wollen. "Ich weiß, dass Fleisch sehr teuer ist, deshalb könnt ihr meins umsonst haben." Andere Seiten erklären mit Zeichnungen, wie man tote Körper am besten zerlegt.

Anthony Hopkins als Hannibal Lector
Hunger auf Menschen - wie "Hannibal" im FilmBild: AP

Der Antrieb: abartige sexuelle Vorlieben

Meistens kann man aus den Forumsbeiträgen sexuelle Phantasien herauslesen. Die Grundlage dieser Sorte Kannibalismus sei "die perverse Vorstellung, mit einem anderen Menschen zu verschmelzen", sagt Andreas Marneros, Direktor der Klinik für Psychotherapie an der Uni Halle-Wittenberg.

Die Foren sind frei zu finden

Solche Webseiten stehen frei zugänglich im Internet und sind über Suchmaschinen zu finden. Trotzdem scheint das Aufspüren ein Problem zu sein, angesichts der Menge von Milliarden Internetseiten. Eine Abteilung des Bundeskriminalamts fand das Forum, in dem der Rotenburger Kannibale geschrieben hatte, nur aufgrund von Hinweisen anderer Web-Surfer. Der stellvertretende BKA-Sprecher Dirk Büchner gegenüber DW-WORLD: "Wir halten diesen Fall für ziemlich einmalig." "Jugendschutz.net", eine Einrichtung der Bundesländer, bei der man jugendgefährdende Seiten melden kann, sind noch keine Kannibalismus-Foren untergekommen. "Das ist uns neu", gesteht der Projektleiter Friedemann Schindler auf Anfrage von DW-WORLD. Allerdings seien Diskussions-Boards auch schwierig zu überwachen, und "Jugendschutz.net" suche auch nicht gezielt nach anstößigen Seiten.

Die Firma Cobion jedoch beschäftigt sich damit geschäftsmäßig – sie stellt Software her, die unerwünschte Internetseiten blockiert. Dafür durchsuchen Computer täglich das Internet, sagt Cobion-Sprecherin Marina Lisa Klubescheidt gegenüber DW-WORLD. "Wir wissen von etwa einem Dutzend solcher Foren", erklärt sie. Diese Seiten landeten in der Kategorie "Extremismus"; ihre Zahl habe seit dem letzten Jahr zugenommen.

Menschen zu essen, ist nicht strafbar

Nun kann man nicht abschätzen, welcher Forums-Beitrag wie ernst gemeint ist. Jedenfalls sind Aufrufe zum Kannibalismus wie auch Aufrufe zum Suizid "schwere Gefährdung von Kindern und Jugendlichen", erklärt Marc Liesching, Assistent am Institut für Strafrecht der Uni Erlangen, der DW-WORLD. Das bedeutet, man kann die Verbreitung der Seite verbieten.

Kannibalismus selbst sei kein Straftatbestand. Aber wer jemanden töte, betont Liesching, müsse sich mindestens wegen Totschlags verantworten – oder wegen Mordes, wie Armin M. Ob das Opfer sterben wollte oder nicht, "das ist unerheblich", so der Jurist: Auch Tötung auf Verlangen stehe unter Strafe.