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Verbaler Warnschuss des Militärs

29. Januar 2013

Armeechef und Verteidigungsminister Al-Sisi hat wegen der anhaltenden Unruhen vor einem Zusammenbruch der staatlichen Ordnung gewarnt. Echte Besorgnis oder mehr eine Drohung an die Demonstranten?

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Der ägyptische Präsident Mohammed Mursi und Verteidgungsminister Abdel Fattah al-Sisi bei einer Feier im Oktober 2012 (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen seien eine echte Bedrohung für die Sicherheit und den Zusammenhalt Ägyptens, betonte General Abdel Fattah al-Sisi in einer über das Online-Netzwerk Facebook verbreiteten Erklärung. Die Armee werde aber der Fels bleiben, auf dem der Staat ruhe. Die Stationierung von Truppen in den drei großen Städten am Suez-Kanal rechtfertigte Al-Sisi damit, dass dies dem Schutz der Wasserstraße diene, die zu den wichtigsten Schifffahrtswegen der Welt zählt und eine der größten Einnahmequellen Ägyptens ist. In Suez, Port Said und Ismailia war es seit Ende vergangener Woche mehrfach zu schweren Ausschreitungen mit zahlreichen Toten gekommen.

Gewalt ebbt offenbar ab

Al-Sisi wurde unter Präsident Mohammed Mursi (auf dem Artikelbild bei einer Zeremonie im vergangenen Oktober) zugleich Armeechef und Verteidigungsminister. Seine Äußerungen folgten einer Entscheidung des Kabinetts, der Armee mehr Vollmachten zur Unterstützung der Polizei zu übertragen, wie etwa eigenmächtige Festnahmen. Sie weckten indes auch Sorgen, dass das Militär, das bei vielen Ägyptern in den zwei Jahren seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Husni Mubarak massiv an Ansehen verloren hat, wieder eine stärkere politische Rolle anstreben könnte.

Ägypten: Armeechef warnt Opposition

Mursi hat angesichts der jüngsten Unruhen in Suez, Port Said und Ismailia dort den Notstand verhängt und eine nächtliche Ausgangssperre angeordnet, die jedoch auch in der Nacht zum Dienstag von zahlreichen seiner Gegner missachtet wurde. In Port Said nahmen dann im Tagesverlauf erneut Tausende an einem weiteren Trauermarsch teil. Allein in der Hafenstadt sind inzwischen 42 Menschen getötet worden seit dem Ausbruch der jüngsten Protestwelle in Ägypten. Landesweit starben bislang 52 Menschen. Insgesamt schien die Gewalt jedoch abzuebben, auch wenn die Polizei am Dienstagnachmittag in einer Straße in der Nähe des Kairoer Tahrir-Platzes wieder Tränengas gegen Steine werfende Jugendlich einsetzte. Die Auseinandersetzung erreichte jedoch längst nicht das Ausmaß der vergangenen Tage. So lief der Verkehr in dem Gebiet wieder nahezu unbehindert. Die Straßenreinigung beseitigte Reste von verbrannten Reifen und andere Trümmer.

Ägyptische Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen bewachen den Gouverneurssitz in Suez (Foto: AFP/Getty Images)
Ägyptische Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen bewachen das Gouverneursgebäude in SuezBild: AFP/Getty Images

Erster Deutschland-Besuch von Mursi

Ungeachtet der schweren Ausschreitungen wird Mursi am Mittwoch nach Deutschland reisen. Es ist der erste Besuch Mursis in Deutschland. Bei seinen Gesprächen - unter anderem mit Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck - wird es vor allem um die innenpolitische Lage in Ägypten gehen. Aber auch der Nahost-Friedensprozess und die Situation in Syrien werden Themen sein. Gleich vier Gruppierungen haben zu Protesten anlässlich des Besuchs von Mursi aufgerufen. Gegen Polizei- und Militärgewalt in Ägypten will die Menschenrechtsorganisation Amnesty International am Kanzleramt protestieren. Später werden dort auch in Deutschland lebende Vertreter der koptischen Christen demonstrieren - unter dem Motto: "Ägypten: Koptenverfolgung beenden, Täter bestrafen". Zudem gibt es zwei Kundgebungen aus Solidarität mit den Demonstranten für die ägyptische Revolution.

Der Fraktionschef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, forderte die Bundesregierung vor dem Besuch auf, sie müsse mit Mursi "unzweideutig Klartext reden". Eine Stabilisierung der demokratischen Gesellschaft und wirtschaftliche Erholung seien nicht durch einen Ausnahmezustand und Todesurteile zu erreichen, sagte er der "Passauer Neuen Presse". Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung erklärte, die Bundesregierung müsse "klarmachen, dass es keine Alternative zum politischen Dialog gibt". Berlin habe die Mittel, hier Druck auszuüben, weil Deutschland ein wichtiger wirtschaftlicher Partner Ägyptens sei. Menschenrechtsorganisationen wie Pro Asyl prangerten auch Menschenhandel, Erpressung und Organhandel auf der Sinai-Halbinsel an. Berichten zufolge werden Flüchtlingen dort etwa bei lebendigem Leib Organe entnommen. Sie würden gefoltert, blieben medizinisch unversorgt, und die Angehörigen würden erpresst.

sti/kle (afp, dapd, dpa, rtr)