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Verfassungsreferendum in der Demokratischen Republik Kongo

Emmanuel Rushingabigwi und Audrey Parmentier 18. Dezember 2005

Ein Verfassungsreferendum soll die Demokratische Republik Kongo dem Frieden einen großen Schritt näher bringen. Falls es erfolgreich verläuft, könnte es die Konfliktparteien des Landes an einen Tisch bringen.

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Kindersoldaten im KongoBild: AP

Unter anderem sieht der Text Präsidentschaftswahlen im nächsten Frühjahr vor. Allerdings wird der Verfassungstext unterschiedlich bewertet: Oppositionsparteien, sowie Vertreter der Zivilgesellschaft und Juristen weisen auf Lücken hin, die im schlimmsten Fall die ethnischen Konflikte verschärfen könnten. Trotzdem wollen die meisten Kongolesen den Text bei dem Referendum am Sonntag (18.12.2005) unterstützen, in der Hoffnung, dass notwendige Änderungen nach der Wahl vorgenommen werden.

Vier Rebellengruppen

Am 1. April 2003 hatten Vertreter der kongolesischen Regierung und mehrerer Rebellen-Gruppen im südafrikanischen Sun City ein Friedensabkommen unterzeichnet. Damit beendeten sie einen sechsjährigen Krieg, der trotz der Präsenz von rund 15.000 UN-Blauhelmsoldaten, die seit 1991 im Land stationiert sind, weiter schwelte. In diesem Konflikt kämpften vier Rebellenorganisationen gegeneinander: Die von Uganda unterstützte "Bewegung für die Befreiung Kongos" (MLC), die "Kongolesische Versammlung für die Demokratie" (RCD-Goma), die "Union für Demokratie und sozialen Fortschritt" (UDPS) und die "Innovativen Kräfte für Einheit und Solidarität" (FONUS).

Friedensabkommen von Sun City

Joseph Kabila
Joseph KabilaBild: AP

In dem Friedensabkommen von Sun City wurde eine Übergangsphase von drei Jahren vereinbart, während der die Regierungsverantwortung für die Demokratische Republik Kongo geteilt ist: Nach der Formel "4 + 1" wurden Präsident Joseph Kabila vier Vizepräsidenten der Rebellengruppen zur Seite gestellt. Zudem verpflichteten sich alle Seiten, bis zum Ende dieser Übergangsphase, Mitte 2006, eine Verfassung auf den Weg zu bringen und freie Wahlen durchzuführen. Das Verfassungsreferendum am Sonntag (15.12.2005) ist dabei ein wichtiger Schritt.

Aufruf zur Abstimmung

Auch die Führer der unterschiedlichen Konfliktparteien sehen das so - beispielsweise der frühere Rebellenführer und jetzige Vorsitzende der Parlamentsfraktion von RCD-Goma, Moise Nyarugabo. "Wir möchten, dass alle wählen gehen, damit wir eine Verfassung haben, auch wenn sie nicht perfekt ist. Aber es ist ein Text, über den wir einig sind und sagen: Das ist ein Ausgangspunkt, den wir nach und nach verbessern können. Wir rufen zum Ja auf, weil das Ja uns erlaubt, eine Verfassung zu haben, die zur Wahl führt und die Übergangsphase innerhalb der geplanten Frist förmlich beendet - das heißt vor dem 30. Juni 2006", sagt Moise Nyarugabo.

Unklarheiten im Text

Über den Text gehen die Meinungen allerdings auseinander: Juristen halten den Verfassungsentwurf für unstrukturiert. In den knapp 230 Artikeln würden unwichtige Details neben wichtigen Bestimmungen stehen. Zudem kläre der Entwurf nicht hinreichend die Kompetenzen des Präsidenten und die des Premierministers, es gebe hier Überschneidungen. Nicht geklärt sei auch, wie im Konfliktfalle politische Entscheidungen getroffen werden können.

Umstritten ist auch die vorgesehene territoriale Neuordnung des 58 Millionen Einwohner zählenden Landes: Statt der bisher 11 Provinzen soll es künftig 25 Provinzen geben. Wenn der Zuschnitt der regionalen Verwaltungen kleiner sei, werde das Vorteile für die Bevölkerung haben, meinen einige kongolesische Beobachter. Andere wiederum befürchten, dass sich dadurch die Konflikte zwischen den Ethnien noch verstärken könnten. Zwischen den zwei größten Bevölkerungsgruppen - den Hema und den Lendu - kommt es zum Beispiel immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen.

Direkte Wahl des Präsidenten

Der Text enthält aber auch Fortschritte, die Vertreter der Zivilgesellschaft immer wieder eingefordert haben: Die Rechte der Frauen werden deutlich gestärkt. Der Entwurf sieht eine Gleichstellung der Geschlechter im Parlament, im Senat und in der Regierung vor. Zudem würden Sexualverbrechen an Frauen als Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt.

Von großer Bedeutung für die Demokratisierung des Landes ist, dass das Volk den Präsidenten künftig in freien Wahlen direkt wählen kann. Zudem soll auch ein Verfassungsgericht eingerichtet werden. Präsident und hochrangige Politiker waren wiederholt in Straftaten verwickelt, für die sie nicht belangt wurden.

Widerstand von der UDPS

Die EU-Außenminister riefen dazu auf, die kongolesische Verfassung "ohne Verzögerung" anzunehmen. Sie begrüßten die hohe Zahl der registrierten Wähler: Nach offiziellen Angaben haben sich fast 90 Prozent der Wahlberechtigten in die Wählerlisten eintragen lassen. Die EU forderte alle Parteien dazu auf, sich für demokratische und transparente Wahlen einzusetzen.

Die UDPS will der Aufforderung nicht nachkommen. Schon mit dem Abkommen von Sun City war sie nicht einverstanden und weigerte sich, sich an der Übergangsregierung zu beteiligen. Auch den Verfassungsentwurf sieht die Gruppierung skeptisch, wie der Vorsitzende des Nationalkomitees, Valentin Mubake, erklärt. Die einstigen Konfliktparteien hätten einen Ausweg gesucht, um sich eine glückliche Zukunft in diesem Land zu schaffen und in ewiger Straflosigkeit zu leben, sagt Mubake. "Heute präsentieren sie uns einen Verfassungstext, von dem alle kongolesischen und ausländischen Verfassungsexperten sagen, er sei das Papier nicht wert, auf dem er geschrieben ist."

Damit ist die UDPS die einzige Partei, die die Bevölkerung auffordert, gegen das Referendum zu stimmen. Ein Referendum, das die internationale Gemeinschaft und vor allem die meisten Kongolesen als den Durchbruch auf dem Weg zur Demokratie betrachten.