1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Handschlag mit dem Erz-Feind

Hans Pfeifer14. März 2013

Seit ihrer Gründung wird die sozialistische Partei "Die Linke" vom deutschen Inlandsgeheimdienst beobachtet. Der neue Präsident des Verfassungsschutzes probiert einen Kurswechsel.

https://p.dw.com/p/17x94
Delegierte stimmen auf dem Bundesparteitag über einen Antrag ab Foto: Martin Schutt (dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Die Gäste kommen aus dem Staunen gar nicht heraus. Sie zeigen mit Fingern auf die illustre Runde: "Ich kann es nicht glauben: die Ulla, beim Handschlag mit dem Verfassungsschutzpräsidenten!" Ulla, das ist Ulla Jelpke. Sie hat den Ruf, eine der radikalsten deutschen Bundestagsabgeordneten zu sein. Selbst viele Sozialisten beklagen, dass Jelpke jeden als Feind behandeln würde, der Kompromisse mit dem von ihr verhassten kapitalistischen System macht. An diesem Abend aber plaudert sie in Berlin ganz einträchtig bei Wein und Bier mit einem, der eigentlich einer ihrer Erz-Feinde sein müsste: Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Das Ereignis ist in Deutschland beispiellos: Der Präsident des Inlandsgeheimdienstes ist zu Gast bei einer offenen Diskussion mit einer Partei, die seine Behörde wegen staatsfeindlicher Umtriebe beobachtet. Keinen Moment habe er gezögert, sagt Maaßen, an der Veranstaltung teilzunehmen: "Man kann nicht immer nur mit Freunden diskutieren." Und von Freunden ist er in dem Berliner Veranstaltungszentrum wirklich nicht umgeben: Die Linke fordert nicht weniger als die Abschaffung seines Amtes. Denn der Verfassungsschutz habe im Kampf gegen rassistische Gewalt vollständig versagt und unterliege keiner ausreichenden demokratischen Kontrolle.

Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen Foto: dpa
Verfassungsschutzpräsident Maaßen: "Wir sind keine Gesinnungspolizei"Bild: picture-alliance/dpa

Verfassungsschutz keine Gesinnungspolizei

Zwei Stunden lang reden Verfassungsschützer und Sozialisten miteinander. Sie sitzen auf einem riesigen roten Sofa - der Geheimdienstchef in der Mitte: Anzug, goldene Juristenbrille, die gepflegten Hände vor sich gefaltet. Er hat mehrere Botschaften mitgebracht. Erstens: Von einer nachrichtendienstlichen Beobachtung der Linkspartei hält Maaßen wenig. "Wir sind keine Gesinnungspolizei", sagt er über seine Behörde. Der Inlandsgeheimdienst solle sich in Zukunft um die Kernaufgaben kümmern: Terrorismus und Spionage.

Seine zweite Botschaft: Es gibt einen gemeinsamen Feind, und der steht rechts. Der Inlandsgeheimdienst bekämpfe nämlich genauso wie die Sozialisten die "braune Gefahr", also die Gefahr durch Neonazis und rechte Terroristen. Das haben linke Parteien in Deutschland bislang bezweifelt. Und das Versagen der deutschen Sicherheitsbehörden bei der Verfolgung der rechten Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" scheint ihnen recht zu geben.

Aber der Verfassungsschutzpräsident will einen neuen Kurs. Und für den wurde er auch geholt. Im August 2012 wurde Maaßen vom Bundesinnenminister zum Chef des Inlandsgeheimdienstes ernannt. Damals lag die Behörde am Boden, weil sie in ungeahntem Ausmaß versagte bei der Aufklärung der rassistischen Mordserie gegen neun Einwanderer und eine Polizistin. Maaßens Auftrag: Es soll sich niemals wiederholen, dass in Deutschland rassistische Mörder dreizehn Jahre lang unentdeckt von Polizei und Geheimdienst abtauchen können.

Feindbilder abbauen

Das offene Gespräch mit den Sozialisten ist Teil seines Reformkurses. Maaßen versucht Feindbilder abzubauen, um sich auf den Kampf gegen die Hauptfeinde der Bundesrepublik Deutschland konzentrieren zu können. Für ihn sind das alle, die gegen die Demokratie und den Rechtsstaat stehen.

Sein linkes Publikum irritiert er damit. Der Inlandsgeheimdienst ist für sie etwas Böses. Aber dieser Verfassungsschutzpräsident ist es mit seinem Auftritt nicht. Bei der Begegnung in Berlin entstehen zwar keine neuen Freundschaften. Aber am Ende plaudern sie dann trotzdem miteinander: Ulla Jelpke und Hans-Georg Maaßen. Der Präsident im dunkelgrauen Anzug mit Weste und fliederfarbener Krawatte. Die Sozialistin mit rot gefärbten hochgesteckten Haaren.

Linkspolitikerin Ulla Jelpken Foto: dpa
Linkspolitikerin Jelpke: Handschlag mit dem Erz-FeindBild: picture-alliance/dpa

Und wie war die Feindberührung? "Es hat Spaß gemacht!", sagt der Verfassungsschutzpräsident. Er lächelt schelmisch und trinkt einen Schluck aus seiner Bierflasche. Auch Ulla Jelpke lächelt und nippt an ihrem Weinglas. Die Annäherung scheint gelungen.