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Vergangenheitsbewältigung im Baltikum

23. Juli 2002

- Der Direktor des Jerusalemer Simon Wiesenthal-Zentrums hat hier offenbar nicht nur Freunde

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Tallinn, 18.-24.7.2002, THE BALTIC TIMES, engl.

Der Direktor des Jerusalemer Büros des Simon Wiesenthal-Zentrums, der größten Nazi-Verfolgungsorganisation, bereiste in der vergangenen Woche die drei baltischen Länder und machte sich wieder einmal mehr Feinde als Freunde. In der Tat - nach dem Alter einiger zu urteilen, die auf der Pressekonferenz, die er in Riga gab, protestiert haben, gibt es eine neue Generation von Letten, die der Meinung sind, das einzige Ziel seiner Reise bestehe darin, das Land vor der ganzen Welt zu umarmen. Eine junge Frau gab ihm sogar die Schuld am Massaker an den Palästinensern und benutzte einen Begriff, der neuerdings sowohl für den Massentod von Menschen als auch von Regenwäldern benutzt wird - Genozid.

Wenn es etwas gibt, worüber die Menschen im Baltikum Bescheid wissen, dann ist es der Genozid. Sie werden häufig von NATO-Vertretern und anderen Menschen wie Zuroff an die Grausamkeiten erinnert, die hier stattfanden. Um Berichte über die kommunistischen Verbrechen zu hören, brauchen sie nur ihre Eltern oder Großeltern zu fragen.

Der Dialog ist heilsam. Er bricht dann auseinander, wenn Menschen versuchen, die Nazi-Verbrecher mit den kommunistischen Verbrechern zu vergleichen. So verhalten sich leider die meisten Balten gegenüber Zuroff. Sie versuchen, mit ihm eine philosophische Debatte zu führen, in der sie stets die Verlierer sein werden. Er hat nicht Unrecht, sie auch nicht.

Zuroff, der familiäre Wurzeln in Litauen hat, ist darauf bedacht, die kommunistischen Schreckenstaten nicht zu beschönigen. Er weist aber mit Recht darauf hin, dass es nicht seine Aufgabe ist, die Täter zu verfolgen.

Statt mit Zuroff zu streiten, sollten die Balten es ihm nachmachen.

Die Menschen im Westen ignorieren großenteils die kommunistischen Grausamkeiten aus einigen Gründen. Erstens, die Sowjetunion war ein Verbündeter im zweiten Weltkrieg und die Geschichte schreiben immer die Sieger. Jedermann kennt Auschwitz und Buchenwald, aber nur wenige wissen - trotz der Bemühungen von Alexander Solschenizyn und anderer - etwas über Kolyma und Magadan. (...) Nur wenige westliche Journalisten wurden während der Sowjetregierung in die baltischen Länder hineingelassen, das Treffen von Winston Churchill, Franklin Roosevelt und Josef Stalin in Jalta als Freunde ist im Gedächtnis aber haften geblieben.

Nie war die Zeit günstiger, um das zu ändern. Die baltischen Länder stehen an der Schwelle des Beitritts zu zwei der wichtigsten internationalen Organisationen - der Europäischen Union und der NATO.

Organisationen in Estland, Lettland und Litauen, die sich mit der Geschichte der kommunistischen Verbrechen befassen und die versuchen, sie publik zu machen, sollten sich zusammentun und eine Dachorganisation gründen, um die übrige Welt, darunter ihre künftigen Verbündeten in der NATO, zu erziehen. Es könnte noch nicht zu spät sein. (TS)