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Vergebung finden in Indien

Nisha Kommattam 2. April 2004

Auslagerung ist in Glaubensfragen unüblich. Weil Dienste deutscher Kirchen offenbar nicht mehr ausreichen, weichen Gläubige auf religiöse Angebote in Indien aus. Den Priestern dort wird deswegen Geldgier vorgeworfen.

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Indische Christen beim GottesdienstBild: AP

In den katholischen Diözesen Deutschlands zeichnet es sich schon länger ab: Immer weniger Menschen wollen den Priesterberuf ergreifen. Die Folge: Gemeinden werden zusammengelegt, Gottesdienste müssen ausfallen, Pastoren arbeiten über ihre Ruhestandsgrenze hinaus bis ins hohe Alter. Zunehmend häufiger werden auch ausländische Priester nach Deutschland geholt, die vor allem während der Urlaubszeit, aber auch langfristig Pfarreien übernehmen und den Gemeindedienst versehen. Sie stammen aus Afrika, Lateinamerika oder Indien.

Messe gegen Spende

Inzwischen gibt es weitere Möglichkeiten. Gläubige aus Deutschland geben gleich ganze Messen im fremden Land in Auftrag. Aus besonderen Anlässen können sie - gegen Bezahlung - eine Messe in den Heimatländern der ausländischen Priester lesen lassen. Die Geistlichen leiten die Anfragen an Kollegen vor Ort weiter, die Honorierung kann dort als Spende entgegengenommen werden.

Der in Köln lebende Pater Ignazious aus dem südindischen Kerala beschreibt den Vorgang: "Wenn hier beispielsweise Deutsche, die etwas Gutes tun möchten, zehn oder 20 Messen bestellen, schicken sie mir den Auftrag. Ich leite das dann weiter. Die sollen für einen Verstorbenen sein. Oder eine Familie will eine Danksagungsmesse lesen lassen." In der Messe in Indien werde dann gesagt, für wen sie ist, sonst sei nichts Besonderes daran. Der Name müsse aber nicht genannt werden. "Manche geben auch anonym eine gewisse Anzahl von Messen in Auftrag", sagt Pater Ignazious.

Sünden vergeben lassen

Die Anfragen kommen sogar per Post oder E-Mail direkt in die indischen Gemeinden, oft auch über persönliche Kontakte, die die Priester in Deutschland geknüpft haben. Viele haben hier studiert oder stehen in Kontakt zu Indern in Deutschland. Im südindischen Bundesstaat Kerala sind 23 Prozent der Bevölkerung Christen. Die syro-malabarische Kirche, die mit der katholischen Kirche vereint ist, führt dort ein aktives Gemeindeleben. Sie ist wichtiger Bestandteil des öffentlichen Lebens und unterhält zahlreiche Schulen, Kindergärten, und Krankenhäuser. Messeanfragen aus Deutschland oder anderen westlichen Ländern sind dort gern gesehen.

Pater James Manjackal, ein in Deutschland lebender Ordenspriester aus Kerala, erklärt, welchen Sinn Gottesdienste auf Bestellung seiner Ansicht nach haben: "Die Menschheit ist voller Sünde, und die müssen vergeben werden. Das geschieht, wenn eine heilige Messe zelebriert wird." Während man in Deutschland etwa 50 Euro für eine Messe bezahlt, liegt der Preis in einer südindischen Gemeinde bei circa 50 Rupien - weniger als einem Euro. Doch die Euro- und Dollar-Zahler aus dem Ausland müssen mehr ausgeben. Wie viel genau kann sehr unterschiedlich sein.

Religiöser Akt oder Profitmacherei?

Ein willkommener Nebenverdienst für die Priester in Kerala, deren Durchschnittseinkommen bei 75 US-Dollar im Monat liegt. Von den Einheimischen werden solche Messen als "Dollar-Messen" bezeichnet. Kritiker behaupten, skrupellose Priester würden so Profite machen. Es gebe nicht einmal einen Beweis dafür, dass die bestellte Messe tatsächlich abgehalten werde. Die Kirchenoberen in Kerala halten dagegen, dass indische Geistliche keineswegs auf finanzielle Hilfen dieser Art angewiesen seien, und dass jeder Geistliche ohnehin nur eine Messe pro Tag halten dürfe.

Durch die kontroverse Diskussion in Kerala sehen sich auch Geistliche in Deutschland zur Stellungnahme gezwungen. "Wenn wir für Messen Geld nehmen, heißt das nicht, Gebete seien käuflich. Man kann es als eine Art Stipendium bezeichnen, wenn wir für eine bestimmte Person eine Messe lesen lassen. Wenn man es so betrachtet, hilft man damit gleich mehreren Leuten", sagt Pater Ignazious.