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Vergessene Fotografien

Petra Tabeling 18. April 2002

Heinrich George, Mary Wigman oder Thomas Mann ließen sich von ihnen fotografieren: Nini und Carry Hess waren in den "Goldenen Zwanzigern" berühmte Portrait- und Theaterfotografinnen.

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Große Gesten deutscher Schauspieler vor der Fotokamera im Frankfurter Schauspielhaus 1931Bild: Theaterwissenschaftliche Sammlung Uni Köln

Das Schloss Wahn bei Köln widmet den zwei Künstlerinnen nun erstmals eine Einzelausstellung mit 39 Theaterfotografien. Und das ist dem reichen Foto-Fundus der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität Köln, Fördergeldern und dem hartnäckigem Engagement der Organisatorin Anja Hellhammer zu verdanken. Sie hat aus der gigantischen Fotosammlung von 300.000 Originalwerken die vergessenen Werke der jüdischen Geschwister herausgefiltert. Sie zeigen vor allem Spielszenen berühmter Bühnendarsteller wie Fritta Brod, Heinrich George, Dorothea Wieck und selbst Theo Lingen in damals bahnbrechenden Stücken wie "Der Golem", "Lulu" oder "Gefallene Engel".

Die Faszination der Kamera

Fotografieausstellung: Dame telefoniert
Ellen Daub als Gräfin Geschwitz in "Lulu" von Frank Wedekind, 1933Bild: Theaterwissenschaftliche Sammlung Uni Köln

Nini und Carry Hess unterhielten zusammen über zwei Jahrzehnte lang ein Porträtatelier in einem angesehenen Viertel Frankfurts. Mitte der Zwanziger Jahre etablierte sich ihre Fotowerkstatt zu einem Atelier von Weltruhm. Die beiden Frauen spezialisierten sich vor allem auf die Frankfurter Theaterbühnen, die zur damaligen Zeit zu den wichtigsten in Deutschland zählten. Wer etwas auf sich hielt, ließ sich von dem jüdischen Geschwisterpaar fotografieren. Berühmte Wissenschaftler, Politiker oder Sportler wurden zu gern gesehene Kunden.

Der besondere Blick

Fotografieausstellung Schloß Wahn: Fritta Brod
Fritta Brod, Zivilporträt, Frankfurt um 1920Bild: Theaterwissenschaftlichen Sammlung Uni Köln

Die Geschwister müssen einen besonderen Umgang mit ihnen geflegt haben, so die Kunsthistorikerin Anja Hellhammer gegenüber DW-WORLD. Denn die Akteure vor der Kamera strahlen eine Ruhe und Sinnlichkeit aus, die man noch im Betrachten spüren könne. Das mache den fotografischen Stil der beiden Geschwister so besonders und unterscheide sie von anderen Fotokünstlern ihrer Zeit. Vielleicht ein Grund, warum die jüdischen Fotografinnen damals so beliebt waren, mutmaßt Hellhammer. Mit dem Leben und Schaffen der beiden Frauen beschäftigt sich die wissenschaftliche Mitarbeiterin auch in ihrer Dissertation. Und so fand sie heraus, welches Schicksal die jüdischen Geschwister nach der Machtergreifung Hitlers ereilte.

Von den Nationalsozialisten verfolgt

Die letzten erhaltenen Fotodokumente der Sammlung sind datiert mit dem Jahr 1933. Es waren Porträts aus dem skandalösen Stück "Lulu" von Frank Wedekind, das von den Nazis abgesetzt wurde. Wie zahlreiche andere jüdische Künstler in Deutschland durften Nini und Carry Hess unter dem Terror des Nationalsozialismus nicht weiter arbeiten. 1938 verwüsteteten Männer der SA das Atelier. Nini Hess wurde im September 1942 nach Theresienstadt deportiert, das KZ überlebte sie nicht. Ihre Schwester Carry flüchtete nach Frankreich. In Paris versuchte sie weiterzuarbeiten und überlebte in einem Versteck in den Pyrenäen. Doch sie konnte nie wieder ihre Arbeit als Fotografin fortsetzen. Ihren Lebensunterhalt bestritt sie nur noch mit Aushilfsarbeiten. Auf einem Auge erblindet, starb sie 1957. In diesem Jahr hatte sie gerade eine Rente und Wiedergutmachung der Bundesrepublik Deutschland zugesprochen bekommen.

"Auf Geradem Weg zwischen Bildnerei und Technik". Fotografien von Nini & Carry Hess 1920 - 1933. Köln, Schloss Wahn vom 15.April bis 26. Juni 2002