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Vergessene Komponistinnen

Helle Jeppesen8. März 2006

Sie waren die Schwestern oder Frauen berühmter männlicher Komponisten. In den Familien aber gab es meist keinen Platz für eine professionelle Komponistin, zumal sie ja auch als Konkurrentin auftreten könnte.

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Clara SchumannBild: dpa

"Was du mir über dein musikalisches Treiben im Verhältnis zu Felix ...geschrieben, war ebenso wohl gedacht wie ausgedrückt. Die Musik wird für ihn vielleicht Beruf, während sie für dich stets nur Zierde, niemals Grundbasis deines Seins und Thuns werden kann.... Beharre in dieser Gesinnung und diesem Betragen, sie sind weiblich, und nur das Weibliche ziert die Frauen."

So Vater Abraham Mendelssohn-Bartholdy 1820 in einem Brief aus Paris an seine Tochter Fanny, die Schwester des berühmten Komponisten und Pianisten Felix Mendelssohn-Bartholdy. Heute noch zählen die Werke Felix Mendelssohn-Bartholdys zu den unsterblichen Klassikern. Die vier Jahre ältere Schwester, Fanny Mendelssohn, später Hensel, hatte die gleiche hervorragende musikalische Ausbildung genossen wie Felix und besaß auch die gleiche kompositorische Begabung und Schöpferkraft. Felix aber konnte in der Öffentlichkeit sein Talent fördern und messen lassen, während Fannys fast 450 musikalische Werke zum allergrößten Teil in der Schublade liegen blieben. Eine Zierde konnte die musikalische Begabung für eine Frau des vorletzten Jahrhunderts sein, kein Beruf und schon gar keine Karriere.

Frauenbewegung entdeckte Komponistinnen

Erst vor ungefähr 25 Jahren fingen im Rahmen der Frauen-Bewegung Musik-Kritikerinnen und Musikerinnen an, sich für Komponistinnen früherer Zeiten zu interessieren. Bis dahin war eine Fanny Hensel, geborene Mendelssohn, so gut wie unbekannt und wurde auch nicht in den Nachschlage-Werken der Musiklitteratur erwähnt. Heute gilt Fanny Hensel als die größte Komponistin des vergangenen Jahrhunderts schlechthin, was bei weitem nicht heißt, dass sie heute zum Standard-Repertoire zählt oder gar in den gängigen Musiklexika erwähnt wird.

Mitte der 1970er Jahre sei auch sie sehr angesteckt gewesen von der feministischen Suche nach den weiblichen Kulturleistungen, erzählt Barbara Gabler, Musiklektorin beim internationalen Musikverlag "Furore" in Kassel. So sei sie auf Fanny Hensels Werke gekommen, also Fanny Hensel-Mendelssohn. Man habe damals das Mendelssohn noch sehr betont, weil man dachte, dass sonst niemand wisse, wer sie ist. Inzwischen könne man fast kurz Fanny Hensel sagen, weil sie bekannter geworden sei.

Auch heute noch wenig Komponistinnen

Der Furore-Verlag widmet sich ausschließlich Komponistinnen und Musikerinnen. So stehen im Programm des Verlags auch Werke und Biographien von Hildegard von Bingen, Alma Mahler-Werfel und Clara Schumann, um nur ein paar der Komponistinnen zu erwähnen, die im Leben wenig Anerkennung für ihr Werk erfuhren. Auch heute noch ist es so, dass nur zwei Prozent der zeitgenössischen Komponisten sich mit einem "in" hinter der Berufsbezeichnung schmücken können. Musik-Professorinnen sind rar an deutschen Fachhochschulen, das Fach "Frauen und Musik" so gut wie unbekannt in den Tempeln der klassischen Musik. Komponist und Dirigent: zwei Berufe, die noch heute fast ausschließlich männlich sind.

Heiraten statt Komponieren

Was aber ist mit den vielen Frauen, deren Kreativität schon im Keim erstickt wurde, allein weil sie Frauen waren? Die Bach-Dynastie zum Beispiel. Sind die musikalischen Gene dort immer nur den Männern vererbt worden? Warum hat Nannerl Mozart, Klaviervirtuosin und Wunderkind wie ihr Bruder Wolfgang Amadeus nicht komponiert? Von Nannerl sind gerade ein paar Tonsatzübungen überliefert, keine einzige auch noch so kleine Eigenkomposition. Der Vater hat sie nicht am Kompositionsunterricht teilnehmen lassen, auch Geigen- und Orgelunterricht, der für einen angehenden Berufsmusiker damals unverzichtbar war, wurde dem Sohn vorbehalten. Auch wurde der Tochter später eine Karriere als Pianistin untersagt - Nannerl musste heiraten.

Vom Drang zu komponieren

Trotzdem gab es auch damals Frauen, die trotz aller Widerstände komponiert haben. Viele Biographien von Komponisten und auch Komponistinnen hörten sich gleich an, sagt Barbara Gabler. Viele Komponisten stünden unter einem Drang zu komponieren. Dieses Gefühl könne stark blockiert oder gebremst sein, aber irgendwo komme es raus.

In der Regel war die Karriere vieler begabter Komponistinnen spätestens mit der Eheschließung zu Ende. So hängte auch Alma Mahler ihr kompositorisches Schaffen an den Nagel, um ihren damaligen Verlobten und späteren Ehemann Gustav nicht eifersüchtig zu machen. "Die Musik wird für dich stets nur Zierde sein", wie Papa Mendelssohn seiner Tochter Fanny Hensel schrieb. "Nur das Weibliche ziert die Frauen", schrieb ihr der Vater, und weiblich war es nicht, sich auf der Bühne der Öffentlichkeit messen zu lassen.