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Verheugen gibt neue Visitenkarte ab

Gernot Jaeger, Brüssel30. September 2004

Einen Kommissar für Handel hat die EU bereits, auch einen für Wettbewerb. Nun erhält sie noch einen für Industrie und Unternehmen: Günter Verheugen. Er stellte sich am Donnerstag (30.9.) dem EU-Parlament vor.

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Verheugen steht vor neuen AufgabenBild: AP

Günter Verheugen konnte selbstbewusst in die Befragungsrunde mit den Abgeordneten gehen. Als Erweiterungskommissar hatte er schon bisher eine Schlüsselposition inne, und das wird mit seiner neuen Rolle als Vizepräsident der Kommission und seiner Zuständigkeit für Industrie und Unternehmen auch so bleiben. Verheugen sieht denn auch eine Verbindung zwischen seiner alten und seiner neuen Aufgabe, wie er vor dem EU-Parlament am Donnerstag sagte. "In den letzten Jahren haben wir uns um eine neue politische Gestalt für Europa bemüht - die Erweiterung - und um innere Reformen: Die Verfassung. Jetzt gilt es, ein neues, großes Projekt in Angriff zu nehmen." Es gelte, in Europa eine so starke politische und wirtschaftliche Dynamik zu erzeugen, dass es zum führenden Wirtschaftsraum der Welt aufsteige.

Große Worte ohne Taten

Verheugen sprach damit die so genannten Lissabon-Ziele an. Vor vier Jahren hatten die Staats- und Regierungschefs der EU in Lissabon beschlossen, Europa bis 2010 zum dynamischsten Wirtschaftsraum der Erde zu machen. Zu sehen ist davon außer enormen Papierbergen allerdings noch kaum etwas. "Wir leiden unter einer mangelnden Zielgenauigkeit der Debatten und der Entscheidungen", kritisierte Verheugen. Es fehle an der notwendigen Konzentration auf den eigentlichen Kern der Lissabon-Strategie - Wachstum und Beschäftigung.

Verheugen will deswegen die Wettbewerbsfähigkeit von Industrie und Unternehmen verbessern. Dafür braucht er Unterstützung, vor allem die der Kommissare für Handel und für Wettbewerb. Er sitzt allerdings an einer wichtigen Schaltstelle: Er wird die Kommissarsgruppe leiten, die die Folgekosten von EU-Gesetzen für Unternehmen prüft. Dort könnte er einerseits industrieschädliche Regeln verhindern, andererseits verfügt er über keine Weisungsbefugnis, muss sich also seinen Spielraum erst noch erobern - das weiß er selbst: "Da soll man sich keine Illusionen machen. Jemand, der eine Koordinierungsfunktion hat, kann eine Art Frühstücksdirektor sein. Er kann aber auch derjenige sein, der einem Prozess neue Dynamik verleiht. Ich entscheide mich für Letzteres."

Berlins Handlanger?

In dieser Runde könnten auch die Pläne der EU für strengere Auflagen bei der Zulassung von Chemikalien landen. Die Chemie-Unternehmen halten wenig von den Plänen, genauso die deutsche Bundesregierung. Es gab deshalb Befürchtungen, Verheugen werde in der Chemiepolitik - wie auch in anderen Bereichen - als Handlanger Berlins agieren. Das bestritt er und versicherte, er werde absolut unabhängig sein.

Als Vizepräsident und Industrie-Kommissar wird er auch einer der Köpfe der Kommission sein. Er ist aber nicht der von der deutschen Bundesregierung ursprünglich einmal gewünschte Superkommissar für Wirtschaft. Wie stark er tatsächlich sein kann, wird sich erst in seiner praktischen Arbeit zeigen. Dabei kann es ein entscheidender Vorteil sein, dass er sich als Erweiterungskommissar vor allem unter den neuen EU-Mitgliedern viele Freunde gemacht hat.