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Vermeintliche Klärung

Heinz Dylong23. Mai 2002

Die FDP erhielt in den letzten Tagen mehr öffentliche Aufmerksamkeit, als ihr lieb war: Ihr wurden antisemitische Zwischentöne vorgeworfen. Nun soll das Thema abgeschlossen werden. Heinz Dylong kommentiert.

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Vermutlich war es als Befreiungsschlag gedacht: Jürgen Möllemann, nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der FDP, ging am Mittwoch (22. Mai 2002) vor die Presse und verkündete, der umstrittene frühere Grünen-Politiker Jamal Karsli werde nicht Mitglied der FDP. Jedoch könne er weiterhin in der Landtagsfraktion der Liberalen mitarbeiten. Damit soll offensichtlich ein Schlußpunkt unter eine seit mehreren Tagen tobende Diskussion gesetzt werden.

Die Debatte um Karsli war durch seine wiederholte massive Kritik an Israel ausgelöst worden. Das Vorgehen Israels gegen die Palästinenser hatte er als "Nazi-Methoden" bezeichnet und den Deutschen eine "verständliche Angst" vor einer weltweiten "zionistischen Lobby" attestiert. Und Möllemann selbst, zugleich stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, hatte mit Blick auf die Lage der Palästinenser gesagt: "Ich würde mich auch wehren, und zwar mit Gewalt."

Das wurde ihm vielfach als Rechtfertigung palästinensischer Selbstmordattentate ausgelegt. Das Bild wurde durch die Auseinandersetzung zwischen Möllemann und Michel Friedman, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, ergänzt. Friedman hatte Möllemann vorgeworfen, antisemitische Vorbehalte zu bedienen und mehr oder weniger deutlich seinen Ausschluss aus der FDP gefordert. Für Möllemann war das schlicht eine "Unverschämtheit".

Kurz: Der FDP wurden antisemitische Zwischentöne vorgeworfen. Ein unsinniger Vorwurf, der freilich nichts daran ändert, dass die Partei in den letzten Tagen ein desolates Bild geboten hat, das gleichermaßen die Farben eigenen Unvermögens wie interner Auseinandersetzungen trägt. Dass Karsli sich für seine Äußerungen entschuldigt hat, mag man für aufrichtig halten oder auch nicht - seine Aufnahme in die FDP oder in die Landtagsfraktion der Liberalen hätte sich von vornherein verbieten müssen.

Kritik an der Politik der israelischen Regierung ist indessen keineswegs verboten, auch in Deutschland nicht, man kann sie mit guten Gründen sogar für geboten halten. Dass sich Möllemann dabei im Ton vergriffen hat oder jedenfalls Missverständnissen Vorschub leistete, muss man ihm ankreiden. Schließlich ist er lange genug an vorderer Stelle im politischen Geschäft, um die Wirkung seiner Worte abschätzen zu können. Friedmans Vorwürfe an seine Adresse sind gleichwohl überzogen.

Darüber hinaus hat die Affäre Karsli den Geruch einer innerparteilichen Machtprobe. Möllemann wollte sich mit der Aufnahme Karslis gegen den Parteivorsitzenden Guido Westerwelle durchsetzen. Ganz gelungen ist ihm das nicht, wenngleich Westerwelle eine überaus schwache Rolle spielte - von der Führungs- und Durchsetzungskraft, die er sich selbst in diesem Zusammenhang bescheinigte, kann jedenfalls keine Rede sein. Vielmehr war Westerwelle über Tage scheinbar abgetaucht - so, als fehle ihm der Mut zur offensiven Auseinandersetzung mit Möllemann.

Die aber hätte der Partei wahrscheinlich weniger geschadet als der jetzt gefundene halbherzige Ausweg: Karsli verzichtet auf die Mitgliedschaft in der FDP, arbeitet aber in der nordrhein-westfälischen Landtagsfraktion der Liberalen mit - späterer Aufnahmeantrag in die FDP nicht ausgeschlossen. Überzeugen kann das nicht.