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Verschiedene Kulturen

13. Mai 2016

Ausländer sollen am besten draußen bleiben. Das meinen viele Menschen in Deutschland und in Europa. Die Bibel erzählt von der Vielfalt der Kulturen. Ralph Frieling denkt über zwei Geschichten nach, die sich ergänzen.

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Bild: picture-alliance/dpa

Weltweit vernetzt und trotzdem abgeschottet

Google-Straßenansichten von Sydney oder Delhi sind nur einige Mausklicks entfernt. Skypen zwischen New York und Berlin, Krakau und Köln, von Tuttlingen bis in den Ural: alles kein Problem. Ob im Internet, in der Wirtschaft, der Politik oder Kultur: Die Globalisierung findet statt und ist nicht weg zu denken.

Daneben gibt es viele Stimmen, die die Zeit am liebsten um 40, 50 Jahre zurück drehen würden. Globalisierung bitte draußen bleiben! In die Vorurteile über Ausländer und Flüchtlinge mischt sich viel Angst vor allem Fremden und vor dem Verlust der eigenen Identität. Das war schon immer so. Mit den Flüchtlingen jetzt hat das Thema wieder Fahrt aufgenommen. Die Globalisierung überfordert viele, wenn sie konkret wird im Ankommen von Menschen aus anderen Kulturen.

Der Turmbau zu Babel

In der Bibel finden sich zwei Geschichten, in denen es um fremde Kulturen geht.

Die Erzählung vom Turmbau zu Babel, etwa 3000 Jahre alt, versucht die Frage zu beantworten: Wo kommen eigentlich die ganzen Sprachen her?

Es gab eine Zeit, da redete die Menschheit nur eine einzige Sprache. Alle sangen dieselben Lieder, erzählten sich dieselben Geschichten und aßen dasselbe Essen, sie hatten dieselbe Religion, dieselben Bräuche, kurz: Sie teilten in allem dieselbe Kultur. Da sagten sie sich: wenn wir alle zusammen etwas Großes bauen, am besten einen riesigen Turm, dann geraten wir nicht in Vergessenheit und die Arbeit an diesem Bauwerk wird uns verbinden (1. Buch Mose, Kapitel 11). Gesagt, getan. Sie machten sich an die Arbeit und bauten ihren grandiosen Turm. Die Bibel erzählt weiter, dass Gott vom Himmel herab kam und den Turm zerstörte.

Plötzlich haben alle Menschen ihre gemeinsame Sprache verloren. Sie haben die gemeinsamen Worte verlernt. Nicht nur der Turm fällt in sich zusammen, sondern auch der Traum von der einheitlichen Welt. Von wegen Menschheitsprojekt, nichts da mit dem festen Zusammenhalt und der gemeinsamen Kultur. Denn kaum hatten sich die letzten Staubwolken gelegt, sprachen alle eine unterschiedliche Sprache. Keiner verstand mehr den anderen: die große Sprachverwirrung. Alle Bewohner dieser Stadt werden zerstreut, in alle vier Winde und in alle Länder der Erde. Fortan sprechen sie nicht nur unterschiedliche Sprachen, die kein Fremder mehr versteht, sie haben jeweils auch ihre eigene Kultur. Warum das alles?

Es wurde meist als göttliche Strafe verstanden für den Hochmut und Größenwahn, einen Turm bis in den Himmel bauen zu wollen, bis hoch in Gottes Revier.

Ich verstehe diese Geschichte anders.

Vielfalt war angesagt. Wahrscheinlich weil Gott genau diese Vielfalt will. Die Unterschiede zu entdecken und fremde Sprachen zu hören, fremde Gerichte zu schmecken, und andere Geschichten zu hören: Das macht das Leben interessant. Und es kann das Leben reich machen.

Das Pfingstwunder

In der zweiten Geschichte erzählt die Bibel, wie Menschen sich verstehen, obwohl sie aus verschiedenen Welten kommen. Es ist die Pfingstgeschichte (Apostelgeschichte, Kapitel 2). Sie erinnert an den sogenannten Geburtstag der Kirche und steht morgen am christlichen Pfingstfest im Mittelpunkt. Die Jünger Jesu sind nach seinem Tod und seiner Auferstehung in Jerusalem geblieben. Die Metropole war damals schon Anziehungspunkt von Juden aus aller Welt. Sie kommen aus Afrika, Arabien, Rom, Griechenland, Kleinasien. Zehntausende von einheimischen und fremden Menschen treffen aufeinander. Hundert verschiedene Sprachen sind auf den Märkten und im Tempel zu hören.

Die Jünger waren einfache Männer aus der Provinz, die nie eine Fremdsprache gelernt hatten. Jetzt werden sie von Gottes Geist erfüllt. Sie fangen an, in einer neuen Sprache von Jesus Christus zu erzählen, in der Sprache der Begeisterung. Die Leute drehen sich um und hören hin. Die einen gehen weiter, andere bleiben stehen. Sie wundern sich: Wieso sprechen die eine Sprache, die ich verstehe? Einige meinen: Die haben einfach zu viel Wein getrunken. Andere sagen: Das höre ich mir genauer an. Am Ende, wird erzählt, lassen sich 3000 Menschen taufen. Sie werden weiterhin ihre eigenen Sprachen sprechen. Die kulturellen Unterschiede bleiben. Aber sie finden über Grenzen hinweg als eine neue Gemeinschaft zusammen. Mit Neugierde, mit Respekt und Offenheit füreinander.