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Kampf den Streubomben

Ulrike Hummel 27. Oktober 2008

"Nein zu Streubomben" - mit dieser Aktion wollen Organisationen diese Woche weltweit ein Zeichen der Solidarität für die Opfer von Streubomben setzen. Oft halten Kinder die Bomben für Spielzeug. Zum Beispiel im Libanon.

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Streubombe
Überall in der Erde lauern Streubomben: Eine tödliche GefahrBild: AP

Sie sehen aus wie harmloses Spielzeug, liegen auf dem Boden oder hängen an Bäumen: Streubomben sind besonders heimtückische Waffen, die weltweit Tausende von Menschen verletzten oder töten - darunter viele Kinder. Lange nach einem Angriff können viele Blindgänger aus Streubomben immer noch bei der kleinsten Berührung explodieren. Weltweit stammen 98% der Opfer aus der Zivilbevölkerung. Anfang Dezember soll jetzt in Oslo ein internationaler Verbotsvertrag für Streubomben unterzeichnet werden.

Globale Kampagne

Protest gegen Streubomben, Mai 2008
Immer wieder gibt es international Proteste gegen StreubombenBild: picture-alliance / dpa

Mit einer globalen Kampagne haben daher verschiedene Organisationen diese Woche zu einem weltweiten Protest aufgerufen. In 67 Ländern finden Aktionen statt, die alle nur eines erreichen wollen: Möglichst viele Staaten sollen den Vertrag in Oslo unterzeichnen, damit das Streubomben-Verbot bald in Kraft tritt und weltweit die Ära dieser grausamen Waffe endet.

Ein Beispiel ist der Nahe Osten: Allein im Libanon wurden seit Ende der Kämpfe vor zwei Jahren 267 Zivilisten und Minenräumer schwer oder tödlich verletzt. Schätzungen zufolge befinden sich noch immer eine Million nicht explodierter Streubomben im Süd-Libanon. Die Felder liegen brach und können zu einem großen Teil nicht bewirtschaftet werden.

Kinder sind Opfer

Kind im Irak
Kind als Opfer der StreumunitionBild: Aktionsbündnis Landmine.de/ Handicap Int.

Gerade mal eine Woche ist es her, dass Salim Fakih auf seinem Feld eine nicht explodierte Rakete gefunden hat. Einem Mitarbeiter von “Handicap International” zeigt er den Fundort, um die gefährliche Bombe zu orten - Alltag in den Städten und Dörfern des Süd-Libanon. Dabei hat der Tabakbauer das Stück Land erst kürzlich von einem Nachbarn gepachtet, weil seine eigenen Plantagen von Streubomben verseucht sind.

In dem kleinen libanesischen Dorf Tiri, 15 Kilometer von der israelischen Grenze entfernt, ereignete sich im Mai 2002 eine Tragödie, die das Leben des Bauern und seiner Familie bis heute prägt. "Die Kinder kamen gerade aus der Schule. Hussein, mein Junge, der jetzt operiert werden muss, kam zu mir auf’s Feld und sagte, er wolle mit seinen Brüdern Abdallah und Abbas spielen gehen", erzählt Salim Fakih. Die Kinder spielten hinter einem Baum und fanden dort eine Streubombe. "Das Teil sah aus wie ein Ball und die Jungs haben damit hantiert - bis es explodierte." Salim Fakihs Sohn Abbas, der die Bombe in der Hand hielt, starb. Die beiden anderen Kinder wurden verletzt. Hussein muss jetzt noch einmal operiert werden.

Lange Warteliste

Streubombe
Streubomben im LibanonBild: picture-alliance/ dpa

Eine von zahllosen Familientragödien, die den Süd-Libanon bis heute prägen. Die Bauern stehen auf der Warteliste und hoffen täglich, dass die Minenräumtrupps endlich kommen, um ihre Felder von Streubomben zu befreien. Aber Straßen und Gärten haben bei der Entminung nun mal Vorrang, sagt Sprengstoffexperte Mark Holroyd von "Handicap International":

"Auch zwei Jahre nach dem Krieg arbeiten wir noch immer in den Gärten der Menschen. An zwei Orten räumen wir sogar noch in Dörfern." In einem anderen Gebiet - einem Tal, das einer kirchlichen Einrichtung gehört - gab es seit Kriegsende keine Ernte mehr. Allein dort hätten sie etwa 150 Streubomben gefunden.

Nach Angaben der zuständigen libanesischen Behörden sind derzeit 30 - 40 Prozent des gesamten Süd-Libanons mit Streubomben verseucht. Die Felder können landwirtschaftlich nicht genutzt werden, die Ernte bleibt aus. Für die Menschen dort ist das besonders bitter, da ein Großteil der Bevölkerung im Süden von der Landwirtschaft lebt. Die reichen Libanesen sind längst weggezogen - die Armen sind geblieben

Es trifft die Armen

Streubomben-Flugzeug. Quelle: ap
Auch die USA setzten bislang Streubomben einBild: picture-alliance/ dpa

Abbas war fünf Jahre alt, als er beim Spiel sein Leben verlor. Bei seinem Bruder Hussein zerfetzte die Bombe den Darm. Seine Leber wurde teilweise entfernt, Schultergelenke und Knie wurden zertrümmert. Jetzt müssen die Beine operiert werden - sonst wird er ein Leben lang schwer behindert sein. Etwa 7.000 Dollar kostet die Behandlung - zu viel Geld für einen Bauern mit 14 Kindern. Kurz nach dem Unfall hat Salim Fakih schon zwei seiner Grundstücke verkauft, um wenigsten ein Teil der Behandlung bezahlen zu können. Jetzt hat er nichts mehr. Mit der Ernte der gepachteten Felder muss er die Familie ernähren. Sein eigenes Grundstück, etwa 10.000 m², ist komplett mit Streubomben verseucht.

Finanzielle Unterstützung bekommen Salim Fakih und seine Frausie nicht, um ihre vielen Kinder zu ernähren. Kurz nach dem schrecklichen Unfall hat das libanesische Gesundheitsministerium ein Großteil der Operationen übernommen - inzwischen aber sind sie auf sich alleine gestellt:

"Alles hat sich seitdem geändert - in finanzieller wie in sozialer Hinsicht. Stell Dir vor, Du verkauftst dein Land, damit Deine Söhne die dringend notwenigen Operationen bekommen", sagt Salim Fakih. Die Arbeit hat unter der Siutation gelitten: Ihm bleibt kaum noch Zeit für die Landwirtschaft, weil er sich um seine Söhne kümmern muss.

Die finanzielle Not im Libanon ist mittlerweile so groß, dass einige arme Bauern nicht weiter wissen: Wider aller Vernunft bewirtschaften sie ihre verseuchten Felder trotz der Streubomben noch vor Ankunft der Minenräumtrupps - mit oft verheerenden Folgen.