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Verständnis für die Schuldenfalle

Petra Tabeling 27. August 2002

Hinter vorgehaltenen Händen vermuten Finanzexperten, Brasilien drohe die totale Zahlungsunfähigkeit. Finanzminister Malan und Zentralbankchef Fraga baten derweil in New York um Verständnis für die Schuldenfalle.

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Finanzminister Pedro Malan und Notenbankgouverneur Arminio FragaBild: AP

Die Wirtschaftskrise in Südamerika ist nichts Neues. Paraguay, Argentinien und Uruguay sind hoch verschuldet, der Unmut in der Bevölkerung wächst, Demonstrationen sind derzeit an der Tagesordnung. Auch Brasilien macht negative Schlagzeilen: Das größte lateinamerikanische Land sei kurz vor dem Finanzkollaps, heißt es oft. Doch nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird, warnen Experten vor Ort. Es wäre ein Fehler Brasilien nun auf eine Ebene mit seinen Nachbarländern zu stellen.

Die Zahlen sprechen für sich

Das wirtschaftlich angeschlagene Brasilien hat Schulden im Volumen von 250 Milliarden Dollar (etwa 255 Milliarden Euro). Der Internationale Währungsfonds half Anfang August mit einer Finanzierungshilfe aus. Brasilien bekam den höchsten IWF-Kredit, den der Internationale Währungsfonds je vergeben hat: 30 Milliarden Dollar. Das Geld soll der angeschlagenen Volkswirtschaft neue Stabilität verleihen.

Experten sehen das aber nur als einen Aufschub des totalen Finanzkollapses. Der Zahlungsausfall des Staates sei zwar nicht im Verlaufe der nächsten Monate zu erwarten, doch spätestens 2003 sei er kaum zu vermeiden.

Hohe Inlandsverschuldung ist relativ

Die Krise sei herbeigeredet, Brasilien werde in einen Topf mit seinen Nachbarländern geworfen, widerspricht Lars Grabenschroer, Leiter der Abteilung Volkswirtschaft der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer in Sao Paulo, in einem Interview mit DW-WORLD. "Die Situation sieht hier vor Ort anders aus." Die Währung habe zwar an Stabilität verloren, aber die bei Experten als sehr hoch eingeschätzte Inlandsverschuldung von 240 Milliarden Real, umgerechnet 80 Milliarden Dollar, sei relativ. Die Staatsschulden lauten nämlich auf Real und seien somit wegen des Kursverfalls anders zu bewerten.

Deutsche Firmen sehen Wahlen gelassen entgegen

Grund für den Verfall der Währung seien die anstehenden Wahlen, meint Grabenschroer. Im Finanz- und Devisengeschäft löse eine Umbesetzung der politischen Bühne eher Ängste aus. Deshalb schaut die Finanzwelt mit Argusaugen auf die Präsidentschaftswahlen im Oktober. Der Oppositionspolitiker Luiz Inacio "Lula" da Silva fordert in seinem Wahlprogramm, die Bezahlung der Schulden einzustellen und die Staatsausgaben umzuverteilen.

Deutsche Unternehmen aber sehen dem gelassen entgegen. "Unsere Mitglieder könnten mit diesem Wahlsieg leben", so der Wirtschaftsexperte Grabenschroer. Seit 1991 haben deutsche Firmen 19 Milliarden US-Dollar in Brasilien investiert. Von insgesamt 1200 deutsche Unternehmen sind allein 800 in Sao Paulo tätig.

Werbung um mehr Verständnis in New York

Derweil trafen sich Finanzminister Pedro Malan und Notenbankgouverneur Arminio Fraga am Montag (26.08.2002) mit internationalen Großbanken in New York. Offiziell wurde nichts über den Inhalt des Treffens bekannt gegeben. Aus internen Wirtschaftskreisen in Brasilien heißt es aber, Malan und Fraga wollen die ausländischen Finanzgeber über die Verteilung der Schulden aufklären.

Bisher hätten ausländische Analysten Schwierigkeiten gehabt den Hintergrund der Schuldenentstehung wirklich zu erfassen. Es fehle an Verständnis für die Strukturierung der Schulden. Die Lage seit überschau- und erklärbar. Deshalb wollen Malan und Fraga in New York eine Studie der Zentralbank präsentieren, die über die Verteilung der Schulden aufklären soll.