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Verstärkter Einsatz der AIDS-Prophylaxe in den USA

Martin Winkelheide15. Mai 2014

US-amerikanische Behörden fordern, das Mittel Truvada verstärkt zur AIDS-Prophylaxe einzusetzen. Als Medikament ist es schon seit über zehn Jahren auf dem Markt, in den USA seit 2012 auch zur Prophylaxe.

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Symbolbild: HI-Virus (Foto: picture alliance / © Bruce Coleman/Photoshot)
Symbolbild - HI Virus - AidsBild: picture alliance / © Bruce Coleman/Photoshot.

Gut zwei Dutzend Medikamente gibt es mittlerweile zur Behandlung einer HIV-Infektion. Mindestens drei Wirkstoffe müssen miteinander kombiniert werden, damit sich das AIDS-Virus nicht weiter vermehren kann. "Truvada“ ist ein bewährter Baustein einer solchen Kombinationsbehandlung. Der Vorteil dieses Medikaments: In der Pille stecken gleich zwei der drei notwendigen Wirkstoffe, und es muss nur eine am Tag geschluckt werden. Das Medikament sei nicht nur einfacher einzunehmen, sondern werde auch besser vertragen als bisherige Behandlungen, so Jürgen Rockstroh von der Universitätsklinik Bonn gegenüber der Deutschen Welle.

Im Jahr 2012 hatte die US-Arznei- und Lebensmittelaufsicht FDA Truvada als AIDS-Prohylaxe zugelassen. Die Behörde folgte damit der Empfehlung eines Expertenausschusses und stützte sich außerdem auf zwei Studien.

Ein AIDS-Medikament zur Prophylaxe

Bereits vor einigen Jahren haben Forscher getestet, ob AIDS-Medikamente gesunden Menschen zur Vorbeugung einer HIV-Infektion gegeben werden können. Die Wahl fiel damals auf Truvada. Die Ergebnisse der entsprechenden Studien sind jedoch nicht eindeutig und haben in Fachkreisen für Diskussionen gesorgt. Da gab es immer wieder die Frage, wie und wann das Medikament eingenommen werden müsse.

Tabletten-Dose mit dem AIDS-Medikament Truvada. In den USA soll am Freitag, 15. Juni darüber entschieden werden, ob Truvada als Prophylaxe zugelassen wird (Foto: AP)
Das AIDS-Medikament TruvadaBild: AP

Es nach Bedarf zu schlucken, das funktioniere überhaupt nicht, so Stefan Esser im Gespräch. Wenn man beispielsweise weiß, dass man Sex haben wird. Esser leitet die HIV-Ambulanz der Universitätsklinik Essen und sagt, man könne die Tablette nicht einfach zwei Minuten vorher schlucken und glauben, man sei dann geschützt.

Vorbeugung mit Nebenwirkungen

Die Studien zeigten vor allem, dass Truvada bei Nicht-Infizierten nur dann Schutz entfaltete, wenn es - genau wie bei der Behandlung von HIV-Infizierten - täglich eingenommen wurde. Dabei aber gebe es Nebenwirkungen, so Stefan Esser.

Zum Beispiel könne die Knochendichte abnehmen oder die Nierenwerte könnten schlechter werden. Dass an sich gesunde Menschen unter Nebenwirkungen von Medikamenten leiden, die sie vorbeugend einnehmen, darin sehen gerade europäische Mediziner ein gewichtiges Argument gegen "Truvada" als HIV-Vorbeugungs-Pille.

Konsequente Einnahme ist wichtig

Die Studien legten weitere Schwächen von "Truvada" als Prophylaxe offen: So schütze das Medikament Männer besser vor einer Ansteckung mit HIV als Frauen, erläutert der Bonner Infektionsmediziner Jürgen Rockstroh. Gerade bei Tests in Afrika hätten sich viele nicht immer an die vorgeschriebene Einnahme der Pillen gehalten. Aber genau das sei eine wichtige Voraussetzung für die Wirkung, so Rockstroh.

Ein weiterer Aspekt: Der Schutz für Männer, die wechselnde Partner haben, sei auch unzureichend, so die Studien. Darüber hinaus bestehe bei ihnen noch das Risiko sich mit anderen Geschlechtskrankheiten anzustecken - Syphilis etwa oder Gonorrhö. In solchen Fällen müssten die Betroffenen aus der Sicht von Rockstroh auch weiterhin ein Kondom benutzen.

Die Pille davor für Männer in festen Beziehungen

Am besten schützt Truvada Männer, die in einer stabilen Partnerschaft mit einem HIV-positiven Mann leben. Für diese Männer könnte Truvada eine sinnvolle Option sein, aber nach Ansicht von Stefan Esser nicht die einzige. Kondome sind nach wie vor eine gute Möglichkeit.

Zwei homosexuelle umarmen sich Paris(Foto: ParisPhoto/Fotolia)
Eine HIV-Prophylaxe mit Truvada könnte eine Option für Partner in festen Beziehungen seinBild: ParisPhoto/Fotolia

In die Sprechstunde seiner Ambulanz an der Universitätsklinik Essen kommen häufig Paare, bei denen ein Partner HIV-positiv ist und die wissen wollen, wie sich das Risiko einer Ansteckung minimieren lässt. Besonders effektiv ist es, wenn der HIV-positive Partner seine Infektion behandelt. Eine Kombinationstherapie senkt die Zahl der AIDS-Viren im Körper dramatisch. Und damit sinkt auch um etwa 96 Prozent das Risiko für den Partner, sich anzustecken. Das haben große Studien gezeigt.

Medikamentengabe an Gesunde

Viele HIV-Positive beginnen eine Therapie nicht unbedingt, weil es medizinisch indiziert ist, sondern vielmehr aus Angst, der Partner könne sich anstecken. Das sieht Stefan Esser als unproblematisch an. Anders verhält es sich da mit Gesunden, die dauerhaft mit einem antiviralen Medikament behandelt werden. Dabei habe er schon aus medizinischer Sicht Bedenken. Und auch die Kosten sind nicht unerheblich. In den USA muss man für die Behandlung eines HIV-Infizierten mit Truvada jährlich umgerechnet knapp 11.000 Euro zahlen.

Zur Behandlung von HIV-Positiven wurde "Truvada" in den USA im Jahr 2000 zugelassen, in Europa zwei Jahre später. In den Vereinigten Staaten ist es seit 2012 zusätzlich zur Vorbeugung von HIV-Infektionen auf dem Markt. Die FDA bezeichnete diesen Schritt damals als einen "Meilenstein im Kampf gegen HIV".

Kondome liegen am 29.11.2010 in Köln auf einem Leuchttisch (Foto: picture-alliance/dpa)
Kondome gelten noch immer als guter Schutz vor einer HIV-InfektionBild: picture-alliance/dpa

Mediziner in Europa schätzen den Nutzen von "Truvada" zur Prophylaxe insgesamt allerdings insgesamt niedriger ein als ihre US-amerikanischen Kollegen. Ihrer Ansicht nach gibt es bessere Möglichkeiten, Menschen vor einer Ansteckung mit HIV zu schützen. Eine davon ist nach wie vor nur der Gebrauch eines Kondoms.