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Verstrickt in den Krieg

Uta Thofern 24. März 2003

Der Irak-Krieg beherrscht die Politik in Deutschland. Im engeren Sinn gilt das vor allem dort, wo der außenpolitische Entscheidungsspielraum der Bundesregierung auf dem Spiel steht. Uta Thofern kommentiert.

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Deutschland und der Krieg - knapp eine Woche nach Beginn der Angriffe tut sich die Bundesregierung zunehmend schwerer mit einer klaren Haltung dazu. Es schien so einfach - die öffentliche Meinung ist mehrheitlich eindeutig gegen diesen Krieg: Die Bundesregierung hatte jede Unterstützung eines Krieges schon im Vorfeld abgelehnt, der Kanzler und seine Wähler waren sich einig, Volk und Regierung in harmonischer Übereinstimmung.

Doch inzwischen hat die Realität die Bundesregierung eingeholt, und die ist weniger eindeutig als die Weltsicht pazifistischer Demonstranten. Nach nur wenigen Tagen Krieg stellen sich Fragen, die nicht mehr einfach mit ja oder nein, dafür oder dagegen zu beantworten sind, und die deutsche Regierung gerät der Wählerschaft gegenüber in Erklärungsnot.

Dürfen deutsche Soldaten in AWACS-Aufklärungsflugzeugen über der Türkei Dienst tun, können sie das überhaupt, ohne den Krieg zumindest indirekt zu unterstützen? Zumal doch die Gefahr besteht, dass türkische Truppen im Nordirak in das Kriegsgeschehen eingreifen.

Die pazifistische Antwort lautet nein, die realpolitische ja, die Bundesregierung weicht einer grundsätzlichen Entscheidung aus - und begibt sich damit in Abhängigkeit von einer türkischen Regierung, für die die Verhinderung eines Kurdenstaates an ihrer Grenze eine Überlebensfrage ist und die deshalb zu manchem Handel mit den Amerikanern bereit ist. Sollte die Türkei intervenieren, will die Bundesregierung die AWACS-Besatzungen abziehen - doch der Einsatz ist von der NATO beschlossen, ein deutscher Rückzug würde ein weiteres Mal die Bündnissolidarität in Frage stellen.

Auch einer Abstimmung des Bundestages über ein Mandat für den Einsatz ist die Bundesregierung ausgewichen - zu groß ist die Angst vor Abweichlern in den eigenen Reihen. Nun soll das Bundesverfassungsgericht entscheiden - womit der Bundesregierung die Initiative genommen ist. Die Aufstockung der deutschen ABC-Schutztruppen in Kuwait wirkt vor diesem Hintergrund beinahe schon wie eine Marginalie, über die Nutzung der US-Stützpunkte in Deutschland wird kaum mehr diskutiert.

Dabei ist klar: Deutschland ist - wider Willen - weit tiefer in diesen Krieg verstrickt, als es die Bundesregierung zugeben mag. Der Bundeskanzler und mit ihm sein Außenminister haben sich aus innenpolitischen Erwägungen erneut jeden außenpolitischen Spielraum verbaut. Doch Deutschland kann seine Bündnisverpflichtungen nicht leugnen, kann die Beziehungen zu den USA und den anderen NATO-Partnern nicht dauerhaft gefährden.

Die Konsequenzen wären verheerend, der Schade auch für die Bundesregierung weitaus größer als ein Knick in den Meinungsumfragen. Schröder und Fischer sollten jetzt den Mut haben zuzugeben, dass Deutschland sich - trotz leidenschaftlicher Ablehnung des Krieges - mancher außenpolitischen Verpflichtungen entziehen kann.

Noch kann die Bundesregierung selbst bestimmen, wann sie diesen Schritt tut. Wird sie von außen dazu gezwungen, ist ihre Glaubwürdigkeit stärker beschädigt.