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Vertreter der türkischen Minderheit in Bulgarien kämpfen für mehr Rechte

2. März 2006

Schon bald soll Bulgarien Mitglied der EU werden. Unter den mehr als acht Millionen Bulgaren lebt eine große türkische Minderheit - 700.000 Menschen. Eine Initiative will ihnen zu mehr Rechten verhelfen.

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Eine Bürgerinitiative will eine Debatte im bulgarischen ParlamentBild: DW

Die bulgarische Nation ist im ethnischen Sinne keine vereinte Nation, meint der Initiator der in Bulgarien laufenden Unterschriftenaktion zur Annerkennung der nationaltürkischen Minderheit in Bulgarien. In einem Interview mit der Deutschen Welle sagte Mendeles Kungün, dass diese Aktion nicht auf eine Störung des ethnischen Friedens in Bulgarien abziele. Gleichzeitig wies er Vorwürfe zurück, die von ihm gestartete Unterschriftenkampagne sei der erste Schritt zur türkischen Autonomie in Bulgarien. Er erklärte: "Wir sind nicht diejenigen, die sich für Separatismus oder Autonomie einsetzen. Umso weniger sind wir moslemische Fundamentalisten, wie wir von manchen bezeichnet wurden."

Türkisch als zweite Amtssprache?

Mendeles Kungün hat die bulgarische Staatsbürgerschaft und ist einer der etwa 700.000 bulgarischen Türken im Land. Er war Mitglied der oppositionellen Rechtspartei "Union der Demokratischen Kräfte", die von 1997 bis 2001 in Bulgarien regierte. Heute ist Kungün Vorsitzender der Bürgervereinigung "Millet-Thrakien", die die umstrittene Unterschriftenaktion gestartet hatte. Darin sind zehn Forderungen enthalten, darunter die nach Annerkennung der nationaltürkischen Minderheit in Bulgarien und nach mehr Rechten für die bulgarischen Moslems. Die Autoren der Kampagne fordern die Anerkennung der türkischen Sprache als der zweiten Amts-Sprache und die Eröffnung einer türkischen Staatsuniversität in Bulgarien. Bevor der Aufruf im Parlament zur Debatte gestellt werden kann, muss er von mindestens 6.500 bulgarischen Bürgern unterzeichnet werden.

"Einer der Gründe für unsere Bürgerinitiative ist die Eskalation des ethnischen Nationalismus in Bulgarien", sagt Mendeles Kungün weiter. Politischen Beobachtern in Bulgarien zufolge ist der Aufruf eine Reaktion auf die 2005 gegründete rechtpopulistische Partei "Ataka". Mit rassistischen Parolen gegen die Minderheiten von Türken und Roma sowie gegen die NATO-Mitgliedschaft und den angestrebten EU-Beitritt des Landes konnte "Ataka" bei den Parlaments-Wahlen im Sommer 2005 fast neun Prozent der Stimmen erringen.

Nach einer Reihe von nationalistischen Ausfällen der "Ataka" und dem Aufruf Mendeles Kungüns warnte Bulgariens Ministerpräsident Sergei Stanischev, dies sei ein Spiel mir dem Feuer. "Wer Hass und ethnische Spannungen schürt, spielt mit dem Feuer und dem Schicksal aller bulgarischer Bürger", so der sozialistische Ministerpräsident.

Partei der Türken lehnt Initiative ab

Die Partei der bulgarischen Türken (DPS), die zur regierenden Drei-Parteien-Koalition gehört, grenzte sich von der Bürgerinitiative Kungüns ab. In einer Presse-Erklärung bezeichnete die DPS die Unterschriftenaktion als eine Provokation gegen das jetzige ethnische Modell in Bulgarien, das eine Einbindung der bulgarischen Türken ins politische Leben bereits vorsieht. Doch Mendeles Kungün hält dieses Modell der DPS für überlebt: "Dieses Modell unterstützt uns, bulgarische Türken nicht mehr."

Sollten die Forderungen seiner Bürgerinitiative "Millet-Thrakien" zurückgewiesen werden, würde sich Kungün an europäische Menschenrechtsorganisationen wenden: "Es ist eine ganz andere Frage, dass die bulgarischen Gesetze immer noch nicht an die europäischen angepasst worden sind. Deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass man uns in Bulgarien letzen Endes eines Vergehens beschuldigen wird."

Denn die bulgarische Verfassung kennt keine nationalen Minderheiten. Und die gemäßigt nationalistische Partei VMRO hat bereits gefordert, gegen die Aktivitäten Kungüns zu ermitteln. Er habe nationalistischen, rassistischen und ethnischen Hass in der bulgarischen Bevölkerung schüren lassen, hieß es von der Partei.

Emiliyan Lilov
DW-RADIO/Bulgarisch, 2.3.2006, Fokus Ost-Südost