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Verworren, aber nicht ohne Perspektive

Peter Philipp14. August 2002

Erstmals seit vier Jahrzehnten ist ein iranisches Staatsoberhaupt nach Afghanistan gereist. Irans Präsident Mohamad Khatami traf dort mit dem neuen Regierungschef Karzai zusammen. Ein Kommentar von Peter Philipp.

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Deutlicher konnte das Dilemma Hamid Karzais gar nicht demonstriert werden: Der Empfang des afghanischen Präsidenten für seinen iranischen Kollegen Mohamad Khatami fand unter dem Schutz amerikanischer Marines statt. Selbst die Pressekonferenz, in der Khatami den USA besondere Arroganz nachsagte und US-.Präsident George W. Bush vorwarf, er "missbrauche" die Ereignisse des 11. September für inakzeptable kriegerische Pläne.

Karzai widersprach seinem Gast nicht, aber er versuchte klarzustellen, dass sein Land mit beiden – den USA wie dem Iran – gute Beziehungen unterhalten wolle. So logisch dies klingen mag, so schwer wird es umzusetzen sein: Die USA haben Karzai an die Macht gebracht und die Leibwächter der Marines sind nur ein Zeichen dafür, wie sehr der afghanische Präsident auch weiterhin von den USA abhängt.

Hamid Karzai headshot, as Afghanistan interim Prime Minister,
Er frischt fast vergessene Beziehungen zu Iran auf: Hamid Karzai, Premierminister von AfghanistanBild: AP

Irans Hilfsbereitschaft

Der Iran wiederum hatte sich in den Jahren der Taliban-Herrschaft klar und unmissverständlich gegen diese Fanatiker gestellt – und diese Politik dann mit der Ermordung mehrerer Diplomaten durch die Taliban bezahlt. Der Iran war auch über die letzten 23 Jahre – neben Pakistan – das größte Auffangbecken afghanischer Flüchtlinge. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) spricht von 1,4 Millionen – von insgesamt 4 Millionen – afghanischen Flüchtlingen im Iran. Und so ungeliebt diese auch bei weiten Teilen der iranischen Bevölkerung sein mögen: Ohne Teherans Bereitschaft, sie aufzunehmen, wäre das Schicksal dieser Flüchtlinge um ein vielfaches schwerer gewesen.

Teheran war aber auch aus machtpolitischen und regionalen Überlegungen immer an den Entwicklungen im östlichen Nachbarland interessiert. Offiziell versucht es seit dem Sturz der Taliban, sich in das Heer der Helfer einzureihen und seine eigenen Interessen hintanzustellen. Aber es kann Teheran natürlich nicht gleichgültig sein, dass Afghanistan heute unter dem Einfluss des amerikanischen "Erzfeindes" steht. Der Beitritt Pakistans und der zentralasiatischen Republiken zur amerikanischen „Koalition gegen den Terrorismus“ machen den Ring um den Iran komplett. Mit einer Ausnahme: Dem Irak, der – wie der Iran und Nordkorea – von Präsident Bush zur „Achse des Bösen“ gerechnet wird.

Verworrene Lage

In dieser – reichlich verworrenen – Situation liegt aber auch eine Chance: Wenn es gelingt, über reine Absichtserklärungen hinaus eine enge Zusammenarbeit zwischen Kabul und Teheran herbeizuführen, ohne dabei die besondere Rolle der USA in Afghanistan anzurühren, so könnte Kabul mittelfristig vielleicht eine Brückenrolle beim Versuch zukommen, die Kluft zwischen Washington und Teheran zu überwinden.

Möglich ist das zum Beispiel auf humanitärem Bereich: So will Teheran tatkräftig dabei helfen, die jährlich 400.000 afghanischen Heimkehrer aus dem Iran in ihrer Heimat zu integrieren und auch die USA wie die eher säumigen Gebernationen müssen sich dieser Heimkehrer annehmen, um die schwache Zentralregierung in Kabul nicht noch mehr zu gefährden. Ein weiteres gemeinsames Interesse ist der Kampf gegen Drogenanbau und –Schmuggel, ein weiteres der Kampf gegen verbleibende "Al Qaida" Trupps.

Sollte es gelingen, in Afghanistan zusammenzuarbeiten, dann könnte dies auch das Verhältnis zwischen Teheran und Washington verbessern und dann wäre der erste Besuch eines iranischen Staatsoberhauptes in Kabul in vierzig Jahren ein positiver erster Schritt gewesen.