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Der Schatten der Korruption

Günther Birkenstock1. Mai 2013

In Bayern haben Landtagsabgeordnete Familienmitglieder auf Staatskosten angestellt. Nach heftiger Kritik sind zwei CSU-Politiker zurückgetreten. Wie verbreitet ist das Phänomen "Vetternwirtschaft" in Deutschland?

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Symbolfoto: Übergabe von Schmiergeld (Foto: Jette Fröhlich/FSU)
Bild: picture alliance/ZB

Georg Schmid war bis vor kurzem Fraktionschef der bayrischen CSU. Am vergangenen Donnerstag (26.04.13) trat er von seinem Amt zurück, wegen eines üppig honorierten Jobs für seine Frau. Er hatte sie als Sekretärin angestellt - für die außerordentlich hohe Summe von bis zu 5500 Euro monatlich.

In Bayern dürfen Abgeordnete gesetzlich seit dem Jahr 2000 keine Ehepartner oder Kinder mehr beschäftigen. Schmid nutzte aber eine Ausnahme für Altfälle, also Verträge, die bis zum Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2000 abgeschlossen wurden. Diese Verträge dürfen auf unbestimmte Zeit fortgeführt werden. Insgesamt 17 der 92 CSU-Abgeordneten im bayrischen Landtag machten von dieser Ausnahme zuletzt Gebrauch. Inzwischen haben die meisten ihren Verwandten gekündigt.

Der ehemalige Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag, Georg Schmid (Foto: dpa)
CSU-Fraktionschef Georg Schmid: Rücktritt nach heftiger KritikBild: picture-alliance/dpa

Am Montag trat der zweite CSU-Politiker zurück, weil er Familienmitglieder beschäftigte. Georg Winter, Chef des Haushaltsausschusses im bayerischen Landtag, hatte seine Söhne für Computerarbeiten angestellt. Die beiden waren bei Vertragsabschluss - kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2000 - erst 13 und 14 Jahre alt.

Vetternwirtschaft pur

Die Affäre ins Rollen gebracht hatte der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim. Durch sein vor kurzem veröffentlichtes Buch "Die Selbstbediener" war bekannt geworden, dass bayrische Politiker mehr verdienen als ihre Kollegen in anderen Bundesländern. Außerdem erwähnte von Arnim die Praxis, dass die Landtagsabgeordneten des Freistaats über eine Ausnahmeregelung Verwandte beschäftigen.

Christian Humborg, Geschäftsführer der Organisation Transparency International, die sich weltweit gegen Korruption einsetzt, ist überrascht. "Dass es eine solche Form von Vetternwirtschaft in Deutschland noch gibt, hätten wir nicht gedacht." Jedoch gebe es keine Anzeichen dafür, dass in Deutschland insgesamt ähnliche Fälle öfter vorkommen.

Der Geschäftsführer von Transparency International Deutschland, Christian Humborg (Foto: Robert Schlesinger dpa)
Christian Humborg: "Korruption kann man nicht verhindern, aber einschränken"Bild: picture-alliance/dpa

Transparency international veröffentlicht jedes Jahr einen sogenannten Korruptionswahrnehmungsindex. Dort steht Deutschland im Vergleich von 80 Ländern derzeit auf Platz 13. International betrachtet eine gute Position, meint Christian Humborg. Schaut man jedoch auf die europäischen Nachbarländer, bewege sich Deutschland nur noch im Mittelfeld. Die Statistik beruht allerdings auf Schätzungen.

Weit verbreitet, aber schwer fassbar

Korruption ist nach Einschätzung der Soziologie-Professorin Ruth Linssen von der Fachhochschule für Sozialforschung in Münster, kaum zu messen. Denn die Täter würden in den seltensten Fällen bekannt. Die Dunkelziffer sei enorm. "Man geht davon aus, dass nur ein bis fünf Prozent der Korruptionsfälle überhaupt entdeckt werden."

Christian Humborg plädiert wegen der geringen Sichtbarkeit von konkreten Korruptionsfällen für einen Blick auf die Maßnahmen, die sie verhindern können. In Deutschland sei beispielsweise das Informationsfreiheitsgesetz eine deutliche Korruptionsbremse. Durch das Gesetz hätten Bürger das Recht, Einsicht in amtliche Akten zu bekommen und so die Verwaltung zu überprüfen. Es sei zwar selten, dass durch einen Blick in die Akten Täter entdeckt würden, sagte Humborg im Gespräch mit der Deutschen Welle, "aber allein die Tatsache, dass die Möglichkeit dazu besteht, verändert das Verhalten und erschwert die Korruption."

Nord-Süd-Gefälle

Bei der Regelung zur Informationsfreiheit gebe es innerhalb Deutschlands ein Nord-Süd-Gefälle. "Vier von fünf Bundesländern, die kein solches Gesetz haben, liegen im Süden: Bayern, Hessen, Baden-Württemberg und Sachsen", so Humborg. Im Norden müssen sich korrupte Beamte also mehr fürchten, entdeckt zu werden.

Auch Sozialforscherin Linssen sieht in strengeren Gesetzen eine Möglichkeit, die Korruption einzudämmen. Hier gebe es gerade bei der Vermeidung von krimineller Vorteilsnahme in der Politik ein deutsches Manko. "Die UN-Konvention gegen Korruption ist von 140 Staaten unterzeichnet worden, Deutschland ist nicht dabei, weil unsere Gesetze gegen Abgeordnetenbestechung zu lax sind." Trotz dieses peinlichen Zustandes, könne sich die Regierungskoalition nicht darauf einigen, die Gesetze zu verschärfen.

Ruth Linssen Professorin für Soziologie und Recht Fachhochschule Münster (Foto: Fachhochschule Münster)
Ruth Linssen: "Auch Lobbyarbeit kann Korruption sein"Bild: Fachhochschule Münster

Deutlichere Anti-Korruptionsgesetze seien aber auch in anderen Bereichen nötig. "Wenn die Pharma-Lobby Medizinern Geld gibt, ist das völlig legal. Ärzte dürfen sich kaufen lassen, ein bestimmtes Medikament häufiger zu verschreiben." Außerdem fordert Linssen eine stärkere Trennung von Wirtschaft und Politik. Lobbyarbeit sei vollkommen legal. Aber "wenn die Unternehmen ihre Vertreter ins Ministerium schicken und an den Gesetzen mitarbeiten, ist das häufig so, dass der Pharma-Konzern dem Gesundheitsministerium in die Feder diktiert." Das, so Linssen, sei für sie auch Korruption.