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Viel Aufwand, geringer Ertrag

Günter Knabe3. Dezember 2002

Zu den Ergebnissen der zweiten Petersberg-Afghanistan-Konferenz ein Kommentar von Günter Knabe.

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Das beste an diesem Stück war die Inszenierung. Der Inhalt war eher dürftig. Mit diesem Eindruck kam man herunter vom Petersberg bei Bonn, auf dem am 2. Dezember 2002 die zweite Konferenz zu Afghanistan stattfand.

Ein Jahr zuvor waren dort in den ersten UNO-Afghanistan-Gesprächen in zähem Ringen jene Vereinbarungen erzielt worden, die Grundlage für den Weg Afghanistans zurück zum Frieden legen sollten. Diese ersten Gespräche waren von Deutschland finanziert und bestens organisiert worden.

Nun sollte Bilanz gezogen werden. Und die ist nicht ausgeglichen. Eindeutig positiv war wiederum das Äußere zu bewerten. Die Organisation von deutscher Seite war wiederum nahezu perfekt. Die Frage aber, was die Konferenz gebracht hat, und wem sie genutzt hat, lässt sich nicht so eindeutig positiv beantworten.

Wirklich Neues wurde auf der Konferenz nicht besprochen. Die Probleme Afghanistans sind bekannt. Der Erfolg der Petersberg-Vereinbarungen ist begrenzt. Denn die Macht und die Wirkung der Übergangsregierung unter Präsident Hamid Karsai ist noch immer beschränkt auf die Hauptstadt Kabul und deren nähere Umgebung. Und obendrein wird die nur relative Sicherheit in Kabul durch Ausländer, nämlich die Soldaten der ISAF (International Security Assistance Forces) hergestellt.

In den Provinzen herrschen weiterhin die früheren Mudschahedin-Führer und jetzigen Milizenchefs und Provinzfürsten. Dort ist Afghanistan immer noch das Land der
Kalaschnikow-Kultur, der blutigen Machtkämpfe der
Territorialfürsten, des Mohnanbaus und der Rauschgift-Produktion. Mit dem Drogenhandel wird die ganze Tragödie finanziert, in dem die Mehrheit der Afghanen die Rolle der Opfer spielt.

Das alles weiß Präsident Karsai - und das wissen alle, die auf dem Petersberg Bilanz ziehen wollten. Dass der Erfolg ein Jahr nach der ersten Petersberg-Konferenz eben nur relativ, weil lediglich in Kabul sichtbar, ist, das konnte und mochte auch Bundesaußenminister Joschka Fischer nicht verhehlen. "Frieden und Stabilität" in Afghanistan war das Motto für die Bilanz-Konferenz. Frieden und Stabilität in ganz Afghanistan können aber nur dann hergestellt und gesichert werden, wenn auch in den Provinzen eine legitimierte Macht zunächst einmal die Entwaffnung genau so durchführt wie in Kabul.

Die ISAF-Soldaten werden diese Aufgabe nicht übernehmen. Keine der 22 Regierungen, die sich mit Kontingenten an der ISAF beteiligen, ist bereit, das Risiko eines solchen Einsatzes in der afghanischen Provinz zu tragen. Auch nicht die deutsche Bundesregierung. Das wurde auf dem Petersberg erneut deutlich.

Wer also soll diese gefährliche Aufgabe übernehmen? Dazu gab Präsident Karsai gestern nach Abschluss der Konferenz bekannt, dass eine nationale Armee aufgebaut werden solle mit materieller Unterstützung vor allem der USA und mehrerer anderer bisher nicht genannter Länder. Deutschland wird aber nicht dazu gehören, wie Außenminister Fischer gegenüber der Deutschen Welle erklärte.

Auch dieser Plan, eine nationale Armee aufzubauen, ist nichts wirklich Neues. Die USA hatten ihn schon lange. Es wirkte auch etwas befremdlich, dass Präsident Karsai das Dekret zum Aufbau dieser Nationalen Armee im Ausland, eben auf dem Petersberg, unterzeichnete. Auch dies zeigt, wie sehr man sich bemühte, diese zweite Petersberg-Konferenz halbwegs mit Inhalt zu füllen.

Dazu gehört auch, dass verkündet wurde, Afghanistan wolle eine - wie es vage hieß - "Deklaration guter Nachbarschaft" mit allen umgebenden Staaten unterzeichnen. Vorbereitende Gespräche dazu führte Hamid Karsai mit den betreffenden Außenministern auf dem Petersberg. Datum und Ort der Unterzeichnung dieses geplanten Dokuments, in Kabul am 22.12.2002, sind sehr bewusst gewählt. Im vorigen Jahr wurde dort Hamid Karsai als Chef der Übergangsregierung aufgrund der Petersberg-Vereinbarung eingesetzt. Auch dies zeigt, dass die zweite Petersberg-Konferenz mehr Symbolik hatte als Substanz.

Dennoch hat sie Afghanistan insofern genutzt, als das geschundene Land und das Schicksal seiner Menschen erneut in Erinnerung gerufen wurden. Und der deutschen Regierung hat es gewiss gut getan, als Mittler von Frieden auf der weltpolitischen Bühne zu agieren.