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Viel dicke Luft um CO2-Speicherung

14. Dezember 2011

Die sogenannte CCS-Technologie sollte in Deutschland bei der geplanten Energiewende und den Klimaschutzzielen eine wichtige Rolle spielen. Doch daraus wird wohl erst einmal nichts werden.

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Sitzungssaal im Bundesrat (Foto: Bundesrat)
Sitzungssaal im BundesratBild: Bundesrat 2006

Da hatte sich der damalige Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wohl zu früh gefreut. "Wir sind mit der Umsetzung der EU-Vorgabe zur CCS-Technologie europaweit die Nummer Eins", sagte er im April 2009. Doch der Schein trog, denn noch heute gibt es ein solches Gesetz in Deutschland nicht. Es soll regeln, wie Kohlendioxid aus Industrieabgasen und Emissionen fossiler Kraftwerke herausgefiltert und unterirdisch als Flüssiggas gelagert werden kann.

Braunkohlekraftwerk Jänschwalde mit rauchenden Schloten und einem kleinen Windrad im Vordergrund (Foto: dpa)
Noch wird in Deutschland der meiste Strom konventionell produziert, wie durch die Verbrennung von BraunkohleBild: picture-alliance/ ZB

Deutschland hatte zwei Jahre Zeit, ein nationales Gesetz zum Umgang mit "Carbon Dioxide Capture and Storage" (CCS) zu erlassen. Ein erster Anlauf im Jahr 2009 kam nicht mehr rechtzeitig vor dem Regierungswechsel zustande. Dem Gesetzesentwurf der jetzigen Koalition aus CDU/CSU und FDP fehlt noch die Zustimmung des Bundesrates als Stimme der Bundesländer. Am Mittwoch (14.12.2011) scheiterte im Vermittlungsauschuss ein neuer Einigungsversuch . Nun - Ende 2011 und nach Ablauf der Frist im Sommer - drohen Strafzahlungen aus Brüssel.

Nicht nur aus politischen Gründen aber hätte Deutschland allen Grund, bei diesem Thema voranzugehen. Denn in keinem anderen Land der Welt wird soviel Braunkohle abgebaut wie in Deutschland - diese Spitzenstellung hat Deutschland übrigens ununterbrochen seit dem Jahr 1920 inne. Und jede Tonne Braunkohle, die verbrannt wird, setzt nach Angaben von Greenpeace eine Tonne klimaschädliches Kohlendioxid (CO2) frei.

Vattenfall steigt aus

Der Braunkohle-Abbau in Deutschland erfolgt in vier Regionen: im Rheinland, in der Lausitz, im Helmstedter Revier und im Mitteldeutschen Revier bei Leipzig. Die Lausitz, in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen gelegen, spielt eine besondere Rolle. Hier lagern noch immense zwei Milliarden Tonnen Braunkohle unter der Erdoberfläche, und hier läuft am Standort Schwarze Pumpe seit drei Jahren eine 30-Megawatt-Testanlage im CCS-Verfahren.

Blick auf die CCS-Pilotanlage in Schwarze Pumpe (Foto: dpa)
Riesige CO2-Tanks in der CCS-Pilotanlage in Schwarze PumpeBild: picture alliance/dpa

Die Testanlage sollte erst der Anfang sein. Am nahegelegenen Kraftwerksstandort Jänschwalde hatte die schwedische Betreiberfirma Vattenfall bis zum Jahr 2016 ein neues 300-Megawatt-CCS-Demonstrationkraftwerk in Planung. Doch daraus wird erstmal nichts. Denn Anfang Dezember gab Vattenfall den Ausstieg aus dem Projekt bekannt. Grund sei, so wurde verlautet, die politische Hängepartie um das Gesetz zur Abtrennung und Speicherung von Kohlendioxid bei Kohlekraftwerken, also die Umsetzung der CCS-Richtlinie der EU.

Die EU fördert derzeit europaweit sechs CCS-Projekte. Insgesamt hat EU-Energiekommissar Günther Oettinger eine Milliarde Euro Subventionshilfen für CCS zur Verfügung gestellt. Rund 45 Millionen davon hat Vattenfall bereits erhalten - ein Teil der Subventionen soll nun zurückgezahlt werden.

Streit im Bundesrat

"Wir bedauern, dass Vattenfall sich für die Einstellung des CCS-Demonstrationsprojektes entschieden hat", sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums der Deutschen Welle. "Damit wird eines der in der EU führenden Projekte zur umfassenden Demonstration der gesamten Prozesskette der CCS-Technologien nicht realisiert. Beim CCS-Gesetz liegt der Ball jetzt im Spielfeld der Länder."

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (Foto: dapd)
Die anderen Bundesländer sollen sich nicht aus der Verantwortung stehlen, sagt Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck (vorn)Bild: dapd

Das Spielfeld der Länder meint den Bundesrat. Denn die für unterirdische CO2-Lager infrage kommenden Bundesländer können sich nicht einigen. Schleswig-Holstein und Niedersachsen fordern eine Vetoklausel, nach der die Bundesländer eine CO2-Speicherung auf ihrem Gebiet verhindern können. Niedersachsen Wirtschaftsminister Jörg Bode sagte, es gäbe keinen Konsens in der Gesellschaft für den Einsatz der Technologie. CCS-Befürworter Brandenburg lehnt diese Vetoklausel ab. Brandenburg habe nicht die Kapazitäten für ein nationales CO2-Endlager, so Ministerpräsident Matthias Platzeck. Im Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag, der den Gesetzentwurf bereits verabschiedet hat, hängt das Gesetz daher fest.

Nachbar Österreich hat übrigens für das gesamte Staatsgebiet CO2-Lagerstätten ausgeschlossen und der EU-Richtlinie damit eine durchaus legitime Absage erteilt.

Internationaler Wettbewerb

Die Firma Vattenfall baut nun darauf, dass andere das Verfahren zur Serienreife bringen. Dann könnte der Energiekonzern die CCS-Technik später kaufen und in den 2020er-Jahren ein Kraftwerk in Jänschwalde errichten. Eine Investition wird ohnehin notwendig, da das bestehende 3000-Megawatt-Kraftwerk nur bis 2030 laufen soll.

CCS bleibe für Deutschland eine der wichtigen möglichen Klimaschutzoptionen, sagt das Wirtschaftsministerium dazu. "Wir begrüßen es daher, dass Vattenfall seine Forschung- und Entwicklungsvorhaben fortsetzt und damit der Technologie CCS weiterhin eine entscheidende Rolle beimisst."

Außerhalb der EU sind die USA, Kanada, Australien, China, Südafrika und Norwegen auf dem CCS-Markt aktiv. Wobei Norwegen führend auf diesem Gebiet ist - bis zum Jahr 2014 soll hier eine funktionsfähige Großanlage stehen. Auch international werde CCS als wichtige Klimaschutzoption erachtet, heißt es dazu aus dem Wirtschaftsministerium. "Deshalb werden wir uns - auch mit Blick auf deutsche Exportchancen - für die weitere Erprobung und Demonstration von CCS in Deutschland einsetzen."

Langfristiger Klimaschutz

Weltweit sollen 20 Prozent der Reduzierung von CO2-Emissionen in den nächsten Jahrzehnten durch CCS erzielt werden, so will es die Internationale Energieagentur. Auch in Deutschland, das gemäß seiner Energiestrategie bis 2030 rund 75 Prozent weniger CO2 in die Luft blasen will als im Vergleichsjahr 1990, soll CCS eine zentrale Rolle spielen. Nach dem angekündigten Ausstieg aus der Atomenergie ist diese Rolle sogar noch größer geworden. Denn die klimaschädliche Stromerzeugung durch Braunkohleverbrennung ist als Brückentechnologie wichtiger geworden. Es wird wohl viele Jahre dauern, bis Erneuerbare Energien genug Strom liefern - und auf die Braunkohle verzichtet werden kann. Zudem ist die Braunkohle-Industrie in der Lausitz ein kaum wegzudenkender Wirtschaftsfaktor. Tausende Arbeitsplätze hängen davon ab, der meiste Strom wird auf diesem Weg produziert.

Doch es gibt auch Menschen, die froh sind über die stockende Einführung von CCS. Viele Bürgerinitiativen bezweifeln, dass die geplanten unterirdischen CO2-Speicher wirklich langfristig dicht halten. Und Umwelt- und Klimaschutzverbände haben ganz generell Bedenken, was CCS betrifft. Sie plädieren für einen Umstieg auf Erneuerbare Energien - und zwar ohne Umwege.

Autor: Kay-Alexander Scholz
Redaktion: Peter Stützle