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Viel mehr als nur Bücher

Aya Bach, zurzeit Frankfurt19. Oktober 2005

Fußball, Wirtschaft, Politik - die Frankfurter Buchmesse sieht sich für alles zuständig. Ein Rundgang.

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Lesen, lesen und noch mehrBild: AP

Der Ball ist rund, das Buch ist eckig. Und dass das Runde ins Eckige muss gilt diesmal auch in den Messehallen: Zahllose Bücher zum Thema Fußball werden diesmal gezeigt; die WM 2006 wirft ihre Schatten voraus, auch zwischen den Buchdeckeln. Und damit der Lesesport noch mehr Spaß macht, sollen Literaten aller Länder Tore schießen und Kicker aus Korea gegen deutsche Ball-Männer antreten. Die Buchmesse setzt auch in diesem Jahr wieder auf populäre Events und bietet mit nahezu 3000 Veranstaltungen ein riesiges Rahmenprogramm. Auch thematisch besetzt die Messe immer mehr Felder abseits des klassischen Buches.

Comic, Film und Fernsehen

Nachdem sich schon in den letzten Jahren Bereiche wie Comic, Film und Fernsehen etabliert haben, soll es jetzt auch eine eigene Plattform für das Thema Spielen geben - populäre Buch-Figuren wie Harry Potter oder "Der kleine Eisbär" sind Anknüpfungspunkte dafür. Stärker in den Vordergrund stellen als bisher will man auch das Hörbuch: Keine Spielerei, sondern ein Marktsegment, das immer wichtiger wird - Lesen mit den Ohren ist nicht nur beliebt, sondern für die Buchbranche ein Wirtschaftsfaktor mit zweistelligen Zuwachsraten. Dennoch: Messechef Jürgen Boos will sich nicht nur an den neuesten Trends und Moden orientieren. Er spricht von drei Säulen der Buchmesse: Wirtschaft, Kultur und Politik. Gerade die dritte will er wieder stärken. Engagement für Kultur, Literatur, Bildung sei schließlich ein zutiefst politisches Handeln. "Die Grundlage unserer Existenz ist nun einmal die Freiheit des Wortes", sagt Boos. "Seit den 1970er Jahren sind wir diese Plattform für den politischen Diskurs. Das Buch ist politisch und wird es auch bleiben."

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels an Orhan Pamuk
Friedenspreisträger: Orhan PamukBild: dpa - Bildfunk

Wie politisch, das zeigt auch der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, der immer am letzten Messetag verliehen wird. Diesmal geht er an den renommierten türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk. Er ist in seiner Heimat angeklagt, weil er das "Türkentum" herabgesetzt haben soll. Der Grund: Er hat den türkischen Völkermord an den Armeniern beim Namen genannt. Schon vor der Anklage war er als Friedenspreisträger ausgewählt worden. Nun erhält die Preisverleihung zusätzliche politische Brisanz. "Kein Ort lässt die Pluralität der Meinungen, die Vielfalt kultureller Hervorbringungen anschaulicher hervortreten als die Frankfurter Buchmesse. Aber wir alle wissen, dass die Werte, die anerkannt sein müssen, damit dieser Reichtum an Kultur sich entfalten kann, nicht überall auf der Welt geachtet werden", meint der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, Johano Strasser

Selbstbewusste Koreaner

Ein Politikum ist auch der Länderschwerpunkt Korea. Ursprünglich hatte man auf die Teilnahme beider koreanischer Staaten gesetzt, doch Nordkorea sagte kommentarlos ab. Nun ist Südkorea übrig geblieben - und präsentiert sich eindrucksvoll als alte Kulturnation und, vor allem, als Bücherland. Das betonte bei der Messe-Eröffnung der Lyriker Ko Un, der zu den prominentesten Autoren des Landes zählt: "Korea ist das Land, in dem etwa 50 Jahre vor Gutenberg der Druck mit beweglichen Lettern erfunden wurde. Es ist das Land, das den Weg angeführt hat in die Ära des Buches. Für uns in Korea bedeutet das Buch unser traditionelles Erbe."

Das zeigt auch der Gastland-Auftritt mit seiner außergewöhnlich sehenswerten Schau: Hier lässt sich nachvollziehen, wie der früheste Buchdruck funktionierte, hier sind kostbare Werke der koreanischen Geistesgeschichte zu sehen. Aber man präsentiert auch den Gegenpol im Spannungsfeld zwischen Tradition und Moderne: Denn inzwischen ist Korea das Land des digitalen Booms. Zur Buchmesse stellt Korea der Welt das so genannte U-Book vor, das ubiquitäre, also allgegenwärtige und universale Buch. Soll heißen: Lesen per Handy: Gedichte, die in Korea übrigens unvorstellbare Popularität genießen, sollen mobil abrufbar sein, später vielleicht auch längere Texte. Noch ist das Zukunftsmusik - aber Frankfurt könnte zeigen, wohin die mobile Reise geht.

Vorsichtiger Optimismus

Während sich Korea selbstbewusst präsentiert, verbreitet auch die Frankfurter Messeleitung wieder vorsichtigen Optimismus: Man spricht von einem leichten Zuwachs des Bücher-Umsatzes - 0,1 Prozent im Vorjahr - mit der Aussicht auf eine weitere Verbesserung 2005. Auch die Zahl der Aussteller ist mit gut 7.000 gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die Stimmung ist durchwachsen, aber die Talsohle könnte durchschritten sein. Als kulturpolitisches Forum dürfte die diesjährige Messe in jedem Fall ein guter Jahrgang werden.