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Viel Porzellan zerschlagen

17. Februar 2003

Der Streit um Militär-Hilfe für die Türkei im Falle eines Irak-Kriegs ist beigelegt. Hat sich die NATO mit dieser Lösung elegant aus der Krise gezogen? Nina Werkhäuser kommentiert.

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Angesichts eines drohendes Irak-Kriegs kann sich jede Meinungs-Verschiedenheit schnell zur existenziellen Krise ausweiten - oder von den Kommentatoren dazu gemacht werden. Dieser Gefahr hätten sich die Akteure bei der NATO stärker bewusst sein müssen, als die Türkei, die als einziges Mitglied eine gemeinsame Grenze mit dem Irak hat, sich hilfe-suchend an die Bündnis-Partner wandte. In einem solchen Fall muss der NATO-Rat tagen und nach einer Lösung suchen, so steht es im NATO-Vertrag. Aber wie das geschehen ist, war wenig professionell und wirft kein gutes Licht auf das Verteidigungsbündnis.

Deutschland, Frankreich und Belgien waren dagegen, dass die NATO mit den Planungen zum Schutz der Türkei sofort beginnt. Denn so lange nach einer friedlichen Lösung des Irak-Konflikts gesucht werde, so das Argument der drei Länder, sei die Türkei nicht unmittelbar bedroht. Diese Begründung hat durchaus positive Seiten. Aber war es nötig, dass NATO-Generalsekretär George Robertson die drei Länder wie ein Schulmeister in ein Entscheidungs-Verfahren drängte, dessen Regularien zu einem offenen Veto führten? Und hatten die Regierungen in Berlin, Paris und Brüssel es wirklich nötig, sich in eine Blockade-Haltung hineinzuschrauben, die dann wiederum die USA auf den Plan rief? Das alles konnte der NATO nur schaden.

Aus Washington kam - das war zu erwarten - prompt der empörte Hinweis, die NATO habe sich damit wieder einmal als nutzloser Restposten aus der Zeit des Kalten Krieges erwiesen, der den aktuellen sicherheitspolitischen Anforderungen nicht mehr gerecht wird. Türkische Kommentatoren schnaubten, die NATO lasse ihr Land nun ungerechterweise im Stich - auch das war in der Sache übertrieben. Schließlich hatten alle Bündnispartner der Türkei den ihr im Angriffs-Fall zustehenden Schutz stets zugesagt. Und der Druck, den Washington auch in der Beistands-Frage auf Ankara ausübt, ist zu offensichtlich.

So weit hätte es nicht kommen müssen. Die demonstrative Empörung auf allen Seiten lässt vermuten, dass in diesem Konflikt viel Dramaturgie im Spiel war - gepaart mit dem ungeschickten Versuch, die NATO für die eigenen politischen Interessen zu instrumentalisieren.

Nun ist ein Kompromiss gefunden, der allen Seiten Rechnung trägt, der aber vielleicht auch früher hätte gefunden werden können: Die Türkei bekommt zu ihrem Schutz militärische Mittel, die Anforderungsliste wurde aber so zusammengestrichen, dass der defensive Charakter deutlicher wird - genau das entspricht den Aufgaben der NATO. Auf den besonderen Wunsch Belgiens erklärte der Ausschuss für Verteidigungsplanung, dass die NATO die Vereinten Nationen bei der Suche nach einer friedlichen Lösung der Irak-Krise unterstützt. Damit sind jene Länder zufriedengestellt, die befürchtet haben, das Bündnis könne durch diesen Schritt in einen Krieg gegen den Irak hineingezogen werden, also auch Deutschland.

Es ist gut für die NATO, dass sie diesen Kompromiss gefunden hat - der im Raum stehende Vorwurf, das Bündnis mache sich selbst überflüssig, hat sicher dazu beigetragen. Es wäre aber besser gewesen, wenn zuvor nicht so viel Porzellan zerschlagen worden wäre.