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Politik

"Viele Chavez-Anhänger kehren Maduro den Rücken"

Eva Usi
9. Juli 2017

Der Bundestagsabgeordnete Klaus Barthel fordert eine Entpolitisierung der Justiz in Venezuela und stellt fest, dass weder Regierung noch Opposition einen Weg aus der Wirtschaftsmisere aufzeigen können.

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Venezuelas Präsident Nicolas Maduro
Venezuelas Präsident Nicolas MaduroBild: Picture alliance/dpa/F. Batista/Prensa Miraflores

Im Gespräch mit der Deutschen Welle fordert der Vorsitzende der Deutsch-Südamerikanischen Parlamentariergruppe, Klaus Barthel (SPD), eine Rückkehr Venezuelas zur Rechtsstaatlichkeit. Opposition und Regierung müssten außerdem einen konstruktiven Dialog aufnehmen.

Barthel ist Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen und Mitglied im Landesvorstand der BayernSPD. Darüber hinaus ist er Sprecher des SPD-Gesprächskreises "Lateinamerika und Karibik".

Deutsche Welle: In Venezuela steht die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega wegen ihrer Kritik an der Regierung vor einem Amtsenthebungsverfahren. Was denken Sie darüber?

Klaus Barthel: Es wird Zeit, dass Venezuela zur Rechtsstaatlichkeit und zu rechtsstaatlichen Normen zurückkehrt. Es ist auch notwendig, dass die Arbeit der Justiz entpolitisiert wird und die Generalstaatsanwältin ihre Arbeit fortsetzen kann. 

SPD-Politiker Klaus Barthel
SPD-Politiker Klaus Barthel Bild: picture-alliance/dpa/A. Weigel

Bis jetzt sind alle Anstrengungen, die politische Krise in Venezuela zu beenden, gescheitert. Was müsste aus ihrer Sicht geschehen? Sind Neuwahlen eine Lösung?

Präsidentschaftswahlen stehen im kommenden Jahr an. Außerdem sollen noch Regional- und Gemeindewahlen in diesem Jahr stattfinden. Ich denke, es ist wichtig, dass diese Wahlen ordentlich und auf der Grundlage der Verfassung durchgeführt werden. Weiterhin muss der Dialog im Land wieder aufgenommen werden. Die internationale Gemeinschaft kann dabei helfen. Der Vatikan spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. 

Sie haben also die Hoffnung, dass eine multilaterale Vermittlung dazu beitragen kann, die Krise zu überwinden?    

Ja. Dies erfordert jedoch auch, dass alle politischen Kräfte im Land sich konstruktiv an diesem Dialog beteiligen. Bisher habe ich nicht den Eindruck, dass dies geschieht. Jede Seite versucht die Situation ausschließlich zum eigenen Vorteil nutzen zu wollen.

Letzten Mittwoch hat eine Gruppe von Chavez-Anhängern das Parlament angegriffen und mehrere Abgeordnete verletzt. Präsident Maduro hat sich zwar von der Gewalt distanziert, gleichzeitig betont er aber, dass er die Revolution notfalls mit Waffen verteidigen will.

Leider sieht man diese Haltung, die eigene Position mit Waffen verteidigen zu wollen, auf beiden Seiten. Das muss energisch zurückgewiesen werden. Die Regierung hat die Pflicht, die Sicherheit des Parlaments und seiner Abgeordneten zu garantieren. Diese Sicherheitsgarantien sind derzeit unzureichend.

Venezuela Generalstaatsanwältin Luisa Ortega Diaz in Caracas
Generalstaatsanwältin und Maduro-Widersacherin Luisa Ortega Bild: picture-alliance/dpa/F. Llano

Kann die Europäische Union dazu beitragen, die Krise in Venezuela zu überwinden? 

Wir können nur auf internationaler Ebene beispielsweise die unter der Vermittlung des Vatikans stattfindenden Gespräche unterstützen. Es macht keinen Sinn, sich direkt in Venezuela zu engagieren, da dies sofort als Einmischung von Außen instrumentalisiert werden und den Konflikt weiter eskalieren würde. Wir müssen einen indirekten und diskreten Weg einschlagen, um dabei zu helfen, dass ein ernsthafter und aufrichtiger Dialog zustande kommt.

Venezuela ist einer der größten Ölexporteure der Welt. Gleichzeitig ist Caracas eine der gefährlichsten Städte des lateinamerikanischen Kontinents und das Land hat die höchste Inflationsrate der Welt. Was können insbesondere die anderen lateinamerikanischen Länder aus der venezolanischen Krise lernen?

Am Beispiel Venezuela kann man deutlich sehen, was passieren kann, wenn man zu sehr von Rohstoffexporten abhängt, vor allem wenn es wie in diesem Fall nur ein einziger Rohstoff ist, das Öl. Selbst die Chavisten erkannten früh, dass die Abhängigkeit vom Öl kein ökonomisches Erfolgsmodell sein konnte. Sie haben es jedoch versäumt, diese Abhängigkeit zu reduzieren. Nur leider scheint derzeit keine politische Kraft im Land einen vernünftigen und realistischen Vorschlag zum Wiederaufbau der Wirtschaft zu haben. Der dringend notwendige Dialog sollte seine Priorität nicht auf die Frage der Machtverteilung legen, sondern darauf, dem Volk schnellstmöglich eine wirtschaftliche und soziale Perspektive zu geben.  

Vor nicht allzu langer Zeit gab es noch einen starken Rückhalt für die von Hugo Chavez initiierte "Bolivarische Revolution", doch in der gegenwärtigen Krise hat dieser stark abgenommen. Gibt es den Rückhalt noch auf internationaler Ebene?

Hier und da gibt es den Zuspruch immer noch. Man muss sich aber fragen, ob das, was heute in Venezuela geschieht, überhaupt noch etwas mit Chavismus zu tun hat. Die Generalstaatsanwältin Luisa Ortega, eine Chavistin der ersten Stunde, sagt selbst, dass viele Menschen, die früher Anhänger von Hugo Chavez waren, heute nicht mehr hinter seinem Nachfolger stehen. Was bedeutet es denn heute noch, ein Chavist zu sein? Für Chavez selbst war ein Kernelement immer die breite Unterstützung durch das Volk. Diese Unterstützung ist heute kaum noch vorhanden.   

 

Das Gespräch führte Eva Usi.