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"Vietnam hat sich den WTO-Beitritt verdient"

Klaudia Prevezanos21. Mai 2006

Nach China hat Vietnam die am stärksten wachsende Wirtschaft in Asien. Das verringert auch die Armut. Nun steht auch noch die Mitgliedschaft in der WTO bevor. Das bringt einige Verpflichtungen mit sich.

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Kleiderfabrik in der Nähe von HanoiBild: PA/dpa

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im kommunistisch regierten Vietnam lag zuletzt bei 50 Milliarden US-Dollar und ist in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich 7,5 Prozent gestiegen. Auch in den nächsten zwei Jahren rechnet der Internationale Währungsfonds mit einer ähnlichen Steigerung.

"Die wirtschaftliche Entwicklung hat auch dazu geführt, dass es weniger Armut im Land gibt", sagt Mathias Haase. Er ist beim Ostasiatischen Verein in Hamburg, einem Wirtschaftsverband deutscher Unternehmen, die in Asien und der Pazifikregion aktiv sind, zuständig für Südostasien. Der Anteil an Armen unter der Bevölkerung - Menschen, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen – hat sich in den vergangenen Jahren von mehr als 50 Prozent auf unter 20 Prozent verringert. Das BIP pro Kopf liegt in Vietnam derzeit bei 600 Dollar und steigt jährlich zwischen 50 und 100 Dollar. Import- und Exportzuwächse erreichen jeweils rund 50 Prozent.

Kein Veto der USA mehr zu erwarten

Nun steht auch noch der Beitritt in die Welthandelsorganisation WTO bevor. Ursprünglich wollte das südostasiatische Land bereits 2005 Mitglied werden, scheiterte jedoch am Widerstand der USA. Mitte Mai hat sich nun die Regierung in Hanoi nach den anderen WTO-Staaten auch mit Washington auf ein bilaterales Handelsabkommen geeinigt. Der US-Kongress muss Vietnam noch den Status normaler Handelsbeziehungen geben. Im November 2006 könnte Vietnam dann zum Gipfel der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) der Welthandelsorganisation beitreten. Mit einem Veto des WTO-Mitglieds USA ist dann nicht mehr zu rechnen.

Die USA haben in den Verhandlungen Wert auf gesenkte Einfuhrzölle und einen freien Zugang ihrer Güter und Dienstleistungen nach Vietnam gelegt. Außerdem soll Hanoi Subventionen für die vietnamesische Textilindustrie einstellen, die den Preis der Waren auf dem Weltmarkt drücken. Im Gegenzug bekommt Vietnam mit seinen Produkten freien Zugang auf den US-Markt.

WTO-weit gültige Regelungen

Mit dem WTO-Beitritt Vietnams würden die vorab mit den einzelnen WTO-Mitgliedern ausgehandelten bilateralen Abkommen für alle 149 Staaten der Welthandelsorganisation gleichermaßen gelten. Vorteil für Vietnam: Das Land, das vor allem Textilien, Schuhe und Möbel herstellt, hätte dann in diesen Staaten vereinfachte Absatzmöglichkeiten. Bei Kaffee, Reis und Pfeffer gehört das Land am Golf von Tonkin bereits zu den wichtigsten Exporteuren weltweit.

Vietnam, dessen Bevölkerung zu 60 Prozent in der Landwirtschaft arbeitet, möchte sich vom Agrar- zum Industriestaat wandeln. Dafür ist auch Geld ausländischer Investoren nötig. Mit dem WTO-Beitritt verpflichtet sich ein Staat zum liberalisierten Welthandel, gilt aber auch als zuverlässigerer Wirtschaftspartner.

Bauern in Vietnam
60 Prozent der Vietnamesen arbeiten in der LandwirtschaftBild: dpa

Wichtige Gesetze verabschiedet

Entscheidend war in dem Verhandlungsprozess mit den WTO-Ländern auch, dass Vietnam im Herbst 2005 ein Gesetz zur Gleichstellung in- und ausländischer Unternehmen verabschiedet hat, das ab Juli 2006 in Kraft treten soll. Zudem wurde ein Gesetz zur Sicherung von Markenrechten beschlossen. "Das waren wichtige Voraussetzungen für die WTO", sagt Haase. "Vietnam hat sich den WTO-Beitritt verdient." Mit bestimmten Übergangsfristen wird nach einem Beitritt auch die Niederlassung von ausländischen Handelsgesellschaften in Vietnam möglich sein. Vertrieb und Distribution können dann ohne inländischen Partner betrieben werden.

Mögliche Nachteile für Vietnam

Die Öffnung der Märkte gilt aber auch für Vietnam: "Einige Bereiche der vietnamesischen Wirtschaft bekommen durch den Wettbewerb sicherlich Schwierigkeiten", meint Haase vom OAV. Probleme werde es dort geben, wo chinesische Billigprodukte Konkurrenz machen, beispielsweise bei Elektronikgeräten. In der Landwirtschaft ist laut Manfred Heinich von der Bayerischen Landesbank mit Konzentrationsprozessen zu rechnen. "Es ist aber nicht im Interesse der Regierung in Hanoi, dass dadurch soziale Unruhen entstehen. Ich rechne mit einem sanften Übergang", sagt der Volkswirt und Länderanalyst mit Schwerpunkt Asien.

Warum der Weltmarkt überhaupt an Vietnam interessiert ist, scheint Haase vom OAV offensichtlich: "Die Qualität vietnamesischer Produkte, beispielsweise im Bekleidungsbereich, ist sehr gut. Und internationale Unternehmen möchten sich nicht ganz vom Riesen China abhängig machen." Vietnam ist mit 82 Millionen Einwohnern zudem so groß wie die Bundesrepublik, durch das Wirtschaftswachstum steigt auch die Konsumbereitschaft der Menschen.

Fahrplan zur Lösung der Schwierigkeiten

Alle Reformen im Land werden mit der WTO-Aufnahme Vietnams noch nicht umgesetzt, die Probleme noch nicht gelöst sein. Dafür gibt es Übergangsregelungen, die mit Hanoi vereinbart wurden. "Der Beitritt ist ein Fahrplan für die Lösung der Schwierigkeiten", sagt Ostasien-Experte Haase. "Danach geht der Prozess weiter." Nach Ansicht von Wirtschaftsexperten würde der WTO-Beitritt Vietnam noch mehr in die Weltwirtschaft integrieren. "Ich rechne mit noch mehr Dynamik für die Wirtschaft", sagt Volkswirt Heinich.

Der Umwandlungsprozess Vietnams ist mit der Entwicklung Chinas – wenn auch im kleineren Stil – nach Meinung Heinichs vergleichbar. "Wirtschaftlich orientiert man sich am marktwirtschaftlichen System. Politisch sind die Länder aber weiterhin kommunistisch geprägt", sagt der Volkswirt.